Jane True 02 - Meeresblitzen
besorgten Geste übers
Gesicht. »Es tut mir leid, dass du das gesehen hast, aber es ist die Wahrheit. Und ich weiß, dass du das weißt. Aber erst mal, geht es dir gut?«
»Natürlich«, sagte ich mit erstaunlich fester Stimme. »Ich denke, ich verstehe es, soweit ich es eben verstehen kann. Und ich glaube, es ist okay für mich. Mehr oder weniger. Aber es ist auch seltsam. Und irgendwie habe ich das Gefühl, es sollte mich viel mehr stören, auch wenn es sich nicht so anfühlt…« Ich verstummte, ich hatte vergessen, was ich eigentlich sagen wollte. »Es ist kompliziert«, schickte ich kraftlos hinterher.
Ryu blickte finster drein. »Es ist auch kompliziert. Und, um ehrlich zu sein, es gefällt mir selbst nicht. Ich hasse die ganze Sache. Ich habe es so satt … Verdammt, Jane, ich bin einfach nur müde. Können wir gehen? Und in Ruhe darüber reden?«
Diese erschöpfte Stimme, bei dem Mann, den ich sonst nur mit Vitalität in Verbindung brachte, traf mich mitten ins Herz, und ich knickte ein wie ein Grashalm. Ich nahm seine Hand, hob die Innenfläche an meine Lippen und küsste sie sanft. Als sich seine Finger liebevoll an mein Kinn legten, schloss ich die Augen.
Ich spürte die Wärme seiner Hand auf meiner Haut, und schließlich trafen sich unsere Blicke.
»Bitte…«, sagte er.
»Alles was du willst, Ryu.« Und ich meinte es so.
»Komm, Baby. Ich habe noch eine letzte Überraschung für dich.«
Ryu bezahlte unsere Cocktails, und wir gingen. Er wollte mir seine Pläne nicht verraten, also schlenderten wir Arm
in Arm die Boylston Street entlang, bis wir zu den Boston Public Gardens gelangten, die zu dieser Stunde bereits geschlossen waren und ganz im Dunkeln lagen. Vor dem Tor angekommen, bückte Ryu sich und machte mit den Händen eine Räuberleiter.
»Allez-hop, mein Schatz«, forderte Ryu mich grinsend auf.
»Äh, ernsthaft?«, fragte ich. »Du bist doch ein Meister im Öffnen von Dingen«, erinnerte ich ihn. »Kannst du nicht einfach auch das Tor aufmachen?«
»Das könnte ich natürlich. Aber so macht es viel mehr Spaß.«
Seufzend setzte ich einen Fuß in seine Hände, und er hob mich hoch wie eine Cheerleaderin. Ich protestierte quiekend und griff Halt suchend nach dem Eisengitter. Vorsichtig manövrierte ich meine Füße in die Spalten, die am stabilsten aussahen. Ich bekam die aufwändigen Verschnörkelungen oben am Tor zu fassen und verlagerte mein Gewicht von Ryus Händen auf die von mir ausgesuchten Lücken im Gitter. Ryu wartete, bis ich mich sicher festhielt, bevor er selbst nach den Eisenstäben griff und sich elegant in einem Zug über das Tor schwang. Ich grummelte irgendetwas wenig Vornehmes über seine Abstammung und fing an, umständlich über das dekorative Tor zu klettern, indem ich meine Füße vorsichtig in kleine Schnörkel auf der anderen Seite setzte, so dass ich dem Park den Rücken zuwandte.
»Komm, Jane, lass los. Ich fange dich auf.«
Ich warf einen Blick über die Schulter zu ihm hinunter. Wenn ich nicht verdammt genau gewusst hätte, dass ich
ohne ihn auf dem Zaun festsaß, hätte ich ihn mit Blicken getötet.
»Komm schon, Baby. Vertrau mir.«
Ich verkniff mir, ihn daran zu erinnern, dass ich, als er mir das zuletzt gesagt hatte, zwei Tage lang kaum laufen konnte, und nahm einfach all meinen Mut zusammen, atmete tief durch und stieß mich vom Eisengitter ab.
Ryu fing mich mühelos auf und lachte.
»Ich sagte, du sollst los lassen und nicht los schießen wie eine Rakete.«
»Ich gebe dir gleich eine Rakete«, brummte ich.
»Was?«
»Nichts. Lass mich runter.«
»Nein«, raunte er und zog mich noch fester an sich.
Ich wollte protestieren, aber weil es in seinen Armen so angenehm war, ließ ich mich von ihm tragen. Als wir an der Brücke, die über den kleinen See mit den Schwanenbooten führte, angelangt waren, setzte er mich wieder ab.
Er machte eine Bewegung mit der Hand, und plötzlich gingen die Lichter an und ließen den Fluss und die Boote und die Brücke erstrahlen. Na ja, er ließ nicht wirklich die Lichter angehen, vielmehr machte er seine eigenen.
Ich blickte über das dunkle Wasser, spürte, wie es mir etwas zumurmelte. Aber im Gegensatz zum Tosen meines Ozeans plätscherte dieses künstliche Gewässer bloß vor sich hin. Die Lichter der Stadt glitzerten auf seiner Oberfläche und halfen Ryus Lichtern dabei, die anmutigen Formen der Schwanenboote schimmern zu lassen, die an ihren Anlegeplätzen auf dem Wasser schaukelten, jedes an seinem
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