Jane True 02 - Meeresblitzen
Marionettenspieler, während die anderen diesen Eingriff überhaupt nicht wahrnahmen. Ich trat zurück und setzte mich auf die Motorhaube von Ryus Wagen, während ich das dirigierte Chaos beobachtete, das sich vor mir entfaltete, umringt von Anwohnern, die von der Explosion angelockt worden waren.
»Was ist passiert?«, hörte ich eine Stimme zu meiner Linken fragen. Erst als die Frage wiederholt wurde, begriff ich, dass sie an mich gerichtet war.
»Eine Explosion… wahrscheinlich eine undichte Gasleitung«, improvisierte ich, ohne mich nach dem Fragenden umzusehen.
»Eine undichte Gasleitung? Wow!«
Ich versuchte Conleths Strategie zu durchschauen. Selbst als ich mit Grauen zusah, wie die Sanitäter das Opfer des Halblingsifrits umringten, verspürte ich noch immer schreckliches Mitleid mit ihm – Mitleid, das sich durch das, was ich gestern in Dr. Silvers Unterlagen über ihn gelesen hatte, nur noch vertieft hatte. Unter den Papieren hatte ich eine Mappe mit Buntstiftzeichnungen entdeckt, auf denen Conleth ein kleines Strichmännchen gemalt hatte – umgeben
von orangem Gekritzel – das von zwei größeren Strichmännchen an den Händen gehalten wurde, die weiße Kittel trugen. Eine herzzerreißende Parodie auf die Kinderzeichnungen zum Thema »Meine Familie und ich«, die ich selbst im Kindergarten gemalt hatte.
Der Mann neben mir redete weiter mit mir, obwohl ich ihm ganz offensichtlich nicht zuhörte.
»…mit alten Häusern ist oft etwas nicht in Ordnung«, fuhr er hartnäckig fort, auf mich einzureden.
Ich verkroch mich tiefer in meiner Jacke, als wäre mir kalt, aber in Wahrheit wollte ich mich wie eine Schildkröte in meinen Panzer zurückziehen.
Es waren auch Briefe an den Weihnachtsmann in Silvers Unterlagen gewesen, versehen mit den Notizen einer der Wissenschaftler über die psychologische Bedeutung, auf die Conleths Wünsche nach einem Basketball oder einer Transformer-Figur schließen ließen.
»Aber das ist eine ziemlich heftige Explosion für eine undichte Gasleitung.«
Ich seufzte und wandte dem Mann, der so hartnäckig auf mich einsprach, schließlich doch den Kopf zu. Er war groß und schlank und wirkte, abgesehen von seiner imposanten Größe, wenig anziehend. Seine Haare schimmerten im Feuerschein rötlich.
»Na ja, Gas ist hochentzündlich«, antwortete ich schroff.
Er grinste, als hätte ich soeben den lustigsten Witz gemacht, den er je gehört hatte.
»Würden Sie mit mir ein Eis essen gehen?«, fragte er, und ich zuckte irritiert zusammen.
»Wie bitte?« Es war Februar. Wir hatten uns noch nie
zuvor gesehen, und nur ein paar Meter von uns entfernt lag eine Leiche auf dem Bürgersteig.
»Würden Sie mit mir ein Eis essen gehen?«, wiederholte er seine Frage, als seien wir alte Freunde.
Ich starrte ihn an und spürte, wie Ärger in mir aufstieg. Was für ein Problem hatte der Kerl?
»Es gibt da so einen Laden gleich um die Ecke in Brookline, in dem es hervorragendes Eis gibt. Ich liebe Eis.«
»Danke für die Einladung, aber nein. Ich bin mit meinem Freund hier, da vorn liegt eine verkohlte Frauenleiche, und außerdem ist es sowieso schon viel zu spät für Eis.«
»Komm schon, Jane. Du wirst den Laden lieben. Sie haben da dieses tolle Chocolate-Chip-Eis, deine Lieblingssorte …«
Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte. Was ist denn jetzt los? , dachte ich und wich einen Schritt zurück.
Er reagierte darauf, indem er mich beim Arm packte. Sein Griff war fest und fühlte sich heiß an, selbst durch meine Lederjacke hindurch.
»Komm mit mir mit, Jane«, sagte er wieder, und ich riss mich von ihm los.
Meine Angst bestätigte sich, als ich ein Brennen spürte. Ich blickte hinunter zu meinem Ärmel und sah dort den Brandabdruck einer Hand, der noch schwelte.
»Ryu!«, schrie ich schrill und verließ mich auf das übernatürliche Gehör meines Freundes, in der Hoffnung, er käme zu meiner Rettung.
Das Gesicht des Mannes vor mir wandelte sich von gelassener Neutralität zu Bestürzung und dann zu feindseligem Ärger.
»Warum hast du ihn gerufen?«, zischte er. »Er kommt uns bloß in die Quere!« Ich wich weiter zurück und tastete nach der Motorhaube, verstärkte mein Schutzschild, während ich gleichzeitig versuchte, den Abstand zwischen mir und dem nun gar nicht mehr mysteriösen Fremden zu vergrößern.
»Jane, was ist los?«, hörte ich plötzlich Ryus Stimme hinter mir. Sie klang ruhig, aber leicht besorgt.
»Ryu, darf ich dir Conleth vorstellen?«,
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