Jane True 02 - Meeresblitzen
lag. »Sie will zu mir kommen, aber du lässt sie nicht.«
Er sagte das mit solcher Überzeugung, dass ich es für einen Moment beinahe selbst glaubte.
»Conleth, hier geht es nicht um Jane«, sagte Ryu sachlich. »Wir würden uns alle gern mit dir unterhalten, deine Version der Geschichte hören, aber wenn du willst, dass das passiert, dann musst du mit uns kommen…«
Ryu streckte Conleth die Hand entgegen, öffnete sich und verströmte Wärme und Verständnis. Er strahlte eine solche Integrität aus, ich hätte mein Geld darauf verwettet, dass der Ifrit-Halbling gleich geliefert sein würde.
Ich hätte es auch wirklich gemacht, wenn ich da nicht plötzlich das Messer hätte aufblitzen sehen, das Conleth aus seinem Ärmel zog. Es sah ziemlich stümperhaft aus, um ehrlich zu sein. Aber am Ende sollte sich zeigen, dass ich hier eigentlich die Stümperin war.
Als ich ein kleines Mädchen von vielleicht vier Jahren war, hatten wir zu Hause eine richtig alte Standuhr aus Urgroßvaters Zeiten. Sie lehnte bei uns an der Wand, stand allerdings alles andere als stabil. Sie war schon seit Generationen im Besitz der Familie meines Vaters, also war es unmöglich, dass wir sie weggaben. Eines Tages spielte ich im Flur auf dem Boden vor dieser Uhr, als sie plötzlich zu kippen begann. Mein Vater – mein menschliches Elternteil – war gerade am anderen Ende des Flurs damit beschäftigt,
die alten Stiefel in unserem Dielenschrank auszusortieren.
Meine Mutter und anschließend auch Nick und Nan – unsere Nachbarn, denen meine Mom die Geschichte erzählt hatte – drückten es so aus: In der einen Sekunde war er noch über einen Berg Schuhe gebeugt und in der nächsten war er auch schon bei mir und zog mich von der umstürzenden Uhr weg, die daraufhin genau dort zersplitterte, wo ich gerade noch gespielt hatte. Damals war mein Vater noch ziemlich groß und kräftig, er bestand hauptsächlich aus Muskeln und war nicht gerade bekannt für seine Schnelligkeit und Eleganz. Aber meine Mutter behauptete immer, er habe sich wie ein Panther bewegt, um mich zu retten.
Ich konnte mich nicht mehr an dieses Ereignis erinnern, abgesehen von dem Krachen, als die Uhr in Stücke brach, und daran, dass mich mein Vater in den Armen hielt. Ich hatte keine Erinnerung mehr daran, woher er so plötzlich auftauchte und wie er so schnell zu mir gelangt war. Um ehrlich zu sein, hatte ich nie ganz geglaubt, dass die Geschichte wirklich stimmte.
Bis ich, Jane True von der Fraktion der Unsportlichen, wie eine zuschnappende Viper nach vorn schnellte. In der einen Sekunde war ich noch hinter Ryu, Conleth befand sich etwa sechs Schritte von uns entfernt, und in der nächsten hatte ich mich auch schon vor meinen Geliebten geworfen.
Der zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits fünf Schritte auf Conleth zugemacht hatte. Schließlich war Ryu auch kein Dummkopf und hatte ebenfalls damit gerechnet, dass
Con etwas plante, und er war einen Tick schneller als ich. Pech, dass ich daran nicht gedacht hatte, als ich mich entschloss, ihm sein verdammtes Leben zu retten.
Ryus entsetzter Blick und meiner trafen sich in einem bedauerlich kurzen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, meinen Körper verlassen zu haben. Mein Blick ging von Ryu zu Con, und ich sah, wie sein Gesichtsausdruck, der den von Ryu widerzuspiegeln schien, sich von wütend in irritiert verwandelte und schließlich in pures Entsetzen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Klinge schon tief eingedrungen.
Und zwar in meine Hand. Ich stand da und starrte mit offenem Mund auf den Stahl, der sich mitten durch meine Handfläche gebohrt hatte. Conleth hielt noch immer den Griff fest, als wäre er dabei, ein groteskes Kannibalenkebab zu servieren.
Leider verweilte ich nicht lange außerhalb meines Körpers.
» Du Arsch! «, rief ich atemlos und starrte in Conleths weit aufgerissene Augen, als dieser abrupt das Messer losließ. »Du hast mir das Messer reingerammt .«
Und dann packte mich der Schmerz. Ich hatte noch nie zuvor so etwas gespürt. Es fühlte sich an, als wäre ich von irgendetwas getroffen worden, also war es eine Art Aufprallschmerz, der bis tief in die Knochen reichte, einer von der Sorte, der viele schmerzhafte blaue Flecken hinterließ und vermutlich auch von ein paar zersplitterten kleinen Handknochen herrührte. Und zu allem Überfluss war da dann auch noch die Schnittwunde, die brannte und wehtat und sich ganz heiß anfühlte. Endlich verstand ich, warum
die Leute sich krümmten, wenn
Weitere Kostenlose Bücher