Jane True 02 - Meeresblitzen
Hörnern. Das ist alles.«
Ryu warf mir einen seltsamen Blick zu, und ich funkelte Daoud wütend an.
»Geht’s wieder?«, mischte sich auch noch Caleb ein.
Ich murmelte ein peinlich berührtes »Ja, danke«, und vermied es, ihm in die Augen zu blicken.
»Gut, dann lasst uns mal reingehen, oder?«, schlug Ryu vor und legte seinen Arm energisch um meine Taille. »Und diesmal bleibst du auf den Füßen, ja, Jane?«, murmelte er mir ins Ohr und fing sich damit einen spitzen Ellenbogen in die Rippen ein.
Wir gingen zum Eingang, wo Anyan bereits auf uns wartete. Dann stiegen wir gemeinsam die Treppen hinauf. Der Barghest führte uns zu einer Wohnung im zweiten Stock und legte mir die Hand auf die Schulter. »Denk dran, Jane«, sagte er beruhigend, »wir sind alle hier. Und vergiss nicht, dass all das nur in Cons krankem Kopf passiert. Du hast nichts damit zu tun.«
Ich nickte, aber mein Herz rutschte mir in die Hose. Eigentlich wollte ich wirklich nicht da hineingehen.
Aber ich tat es dennoch. Zuerst Anyan, dann Daoud und dann Ryu und ich. Er hatte seinen Arm beschützend um mich gelegt. Diesmal war ich froh über seine Besitzansprüche, die mir sonst oft lästig waren. Caleb folgte als Letzter, und es war ein gutes Gefühl, ihn hinter mir zu wissen.
Was mich in der Wohnung erwartete, war gar nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Teilweise war ich aber vielleicht auch davon abgelenkt, wie traurig Conleths Leben war. Nun verstand ich auch, warum man Schlupflöcher
»Schlupf-Löcher« nannte. In der Ecke lag eine versiffte Matratze, und daneben stand ein ziemlich ramponierter Gartenstuhl, und damit hatte es sich schon mit Möbeln. Was auch immer Con an Klamotten besaß, musste er bei sich haben, denn hier lagen bloß ein paar alte T-Shirts und ein Paar abgelegte, ziemlich verdreckte Boxershorts herum. Dem ganzen Müll zufolge, der am Boden verstreut war, lebte Con von billigem Fastfood, das er sich vermutlich irgendwo klaute.
Abgesehen davon hätte ich durchaus Grund gehabt durchzudrehen. Denn die Wände waren mit Fotos von mir zugepflastert. Sie waren mit einem billigen Drucker auf normalem Papier ausgedruckt worden, aber man konnte mich deutlich genug erkennen. Es waren dieselben Fotos wie aus Ryus digitalem Bilderrahmen, nur dass diejenigen, auf denen auch er zu sehen war, nicht dabei waren. An der Wand über der versifften Matratze klebte das Foto, das mich schlafend zeigte, und das auf dem ich, auf den Kirchenstufen sitzend, die Zunge in die Kamera streckte.
»Es ist nicht Ryu, auf den er es abgesehen hat. Du bist es«, sagte Anyan zu mir von der Seite, die nicht von einem sehr beunruhigten Vampir in Anspruch genommen wurde. »Geht’s?«
Ich sah ihn an. »Ja«, sagte ich. »Es hätte schlimmer sein können. Ich hatte gedacht, es wäre … noch schmieriger. Mit Fotos an der Wand komme ich noch klar.«
Anyan lächelte mich an und hob die Hand, als wolle er mir übers Haar streichen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Nicht zuletzt, weil Ryu mich fester an sich und etwas von Anyan weggezogen hatte.
Ich befreite mich aus den Klauen von Mister Eifersüchtig und wandte mich wieder an Anyan.
»Aber ich verstehe es nicht. Warum ich?«
Der Barghest griff in seine Lederjacke und zog ein dickes Bündel zerfledderter, abgegriffener Blätter heraus.
»Ich habe sie nicht gelesen. Sie lagen am Bett.«
Ich zögerte, bevor ich die abgegriffenen Zettel nahm. »Sind sie schmierig ?«
Anyan knurrte sein brummendes Lachen. »Nein. Nur… abgegriffen.«
Es waren all meine E-Mails an Ryu, ausgedruckt und zusammengeheftet. Daoud schlenderte herüber, und obwohl er unbeteiligt tat, konnte ich sehen, dass er versuchte, einen Blick auf ihren Inhalt zu erhaschen. Mir wurde klar, dass alle im Raum, abgesehen von Ryu und mir, vermutlich annahmen, dass es sich um sexy Liebesgeflüster handelte, dass Ryu und ich uns schmutzige E-Mails geschrieben hatten, was auch Cons Interesse daran erklärte.
Ryu verdrehte die Augen über seinen Mitarbeiter und befahl allen, die Wohnung noch einmal gründlich zu durchsuchen, Daoud eingeschlossen. Ich setzte mich in eine Ecke, um die E-Mails durchzublättern. Ich wusste ja im Prinzip, was darin stand, aber ich hoffte, einen Anhaltspunkt dafür zu finden, was Conleth von mir wollte. Was an mir ihn so interessierte oder wodurch er sich so angezogen fühlte. Denn vielleicht konnten wir seine kleine Schwäche ja für uns ausnutzen. Die E-Mails waren leider nach Datum geordnet, denn ich
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