Jane's Journey: Die Lebensreise der Jane Goodall
erhabener Schönheit, von dem man die Augen gar nicht wenden möchte und das Tom Mangelsen mit seiner mit einem Teleobjektiv bestückten Kamera gleich in einer ganzen Fotoserie festhält.
Leise bewegen sich Jane Goodall und Tom Mangelsen durch den hohen Uferbewuchs zu einer anderen Stelle des Platte River, wo sich unzählige Schneegänse dicht an dicht auf der Wasserfläche versammelt haben, so dicht, dass zwischen den vielen Vogelkörpern von dem Element, das sie trägt, kaum noch etwas zu sehen ist. Als sie wie auf ein geheimes Kommando fast zur gleichen Sekunde vom Wasser aufsteigen, bringen ihre Flügelschläge die Luft zum Dröhnen, sie übertönen sogar den Motorenlärm der Lastwagen, die auf der nahen Straße vorbeifahren.
Nach den deprimierenden Eindrücken, die Jane Goodall von ihrem Besuch im Pine-Ridge-Reservat mitgenommen hat, sind die wenigen Tage am Platte River mit seiner überwältigend schönen Natur für sie eine Zeit der Entspannung und Erholung. Hier kann sie, wie sie jedes Mal sagt, ganz ähnlich wie in Gombe »ihre Akkus wieder aufladen«. Aber trotzdem wandern ihre Gedanken immer wieder zurück zum Lakota-Reservat mit all seiner Trostlosigkeit, zu den Bewohnern, für deren Zukunft so wenig Hoffnung besteht, zu Robert Whitemountain, der seinen Sohn begraben musste, und natürlich zu ihren so stark bei »Roots & Shoots« engagierten Freunden Patricia Hammond und Jason Schoch. Sie beschließt, diesen beiden einen Brief zu schreiben und sie so an ihrer eigenen Freude und Begeisterung über das an diesem Morgen Erlebte teilhaben zu lassen.
London, England, 2009
Am Himmel über London zieht nur ein einzelner großer Metallvogel seine Bahn, und in den Straßen der britischen Hauptstadt herrscht die übliche hektische Betriebsamkeit. Nicht ganz so hektisch, aber ähnlich betriebsam geht es in dem kleinen Büro des Jane Goodall Institute zu. Zwischen vielen Aktenordnern, Mappen und Dokumentenstapeln, zwischen Computer, Fax und Kopiergerät an ihrem kleinen Schreibtisch sitzend bearbeitet Mary Lewis, seit zwanzig Jahren Jane Goodalls rechte Hand, die Anfragen, die täglich aus aller Welt eintreffen. Meist geht es darin um Vorträge, Konferenzen, Interviews und Pressetermine, um die Tätigkeiten der Jane-Goodall-Institute und um die Aktivitäten der vielen »Roots & Shoots«-Gruppen rund um den Globus.
Gerade versucht Mary Lewis am Telefon, mehrere von Jane Goodalls Verpflichtungen zeitlich so zu koordinieren, dass alles reibungslos abläuft, aber auch noch Platz für ein wenig Familienleben bleibt:
»... und dann kann sie am 8. Juli nach Dar Es Salaam fliegen«, teilt sie dem Anrufer mit, während sie die eng beschriebenen Seiten des Terminkalenders hin- und herblättert. »Ich hoffe, dass sie rechtzeitig ankommt und an dem Abend noch Zeit für ihre Enkel hat. ... Ich weiß nicht, wie spät es wird, aber ich hoffe, dass es klappt.«
Sie greift nach einer flachen Mappe und sucht darin die Informationen, die sie dem Gesprächspartner durchgeben muss. »Das wäre wirklich nett! Denn am nächsten Morgen ... Ich hoffe, Grub schickt einen Zeitplan. Jane reist dann mit Tony Collins ab, um sich das Projekt im Süden Tansanias anzusehen. Dann ist sie weg.«
Mary Lewis ist beruhigt, alles scheint zu klappen. Sie denkt daran, dass Jane Goodall in diesem Moment bereits mit einem Taxi zu ihr unterwegs ist und jeden Moment eintreffen kann.
»Und wie sieht es mit den Rückflügen nach England aus?«, erkundigt sie sich gegen Ende des Gesprächs. »Kann sie ungefähr am 13. abfliegen?« Das wird ihr bestätigt. In diesem Augenblick hört Mary Lewis draußen das bereits erwartete Taxi vorfahren.
Mary Lewis geht Jane Goodall vor der Tür ein Stück entgegen, und die beiden Frauen umarmen sich herzlich. »Hallo, Jane!« – »Hi, Maus!«, freut sich Jane Goodall. »Schön, dich wiederzusehen!« – »Komm´ rein«, meint Mary Lewis, »das Teewasser kocht schon.«
»Manchmal frage ich mich, wie lange sie das noch so durchhalten kann. Viele von uns, die sie sehr, sehr gern haben, machen sich Sorgen wegen der ungeheuren Energie, die sie in ihre Tage und Nächte investiert.
Vielleicht sogar mehr Energie, als sie eigentlich hat.« Mary Lewis, Jane Goodalls Assistentin, im Film »Jane´s Journey«
Kapitel 14
Tanganjikasee, Tansania, 2009
Während Jane Goodall in der kleinen Motorbarkasse von Kigoma über den Tanganjikasee nach Gombe fährt, denkt sie daran, wie sie im Jahre 1960 als junge Frau zum ersten Mal den
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