Jane's Journey: Die Lebensreise der Jane Goodall
es selbst Jane Goodall schwerfällt, nicht die Hoffnung aufzugeben. Sie denkt daran zurück, welche Angst sie in den Tagen nach dem 11. September 2001 hatte, als es acht Tage lang keine Flüge gab und sie in New York festsaß. Danach flog sie zu einem Vortrag an einer High School in Portland – ausgerechnet zum Thema Grund zur Hoffnung.
»Aber in dem Moment schien es so, als wäre jede Hoffnung verloren. Das war eine ganz furchtbare Zeit. Ich saß im Flugzeug, fühlte mich krank und wusste nicht, warum. Dann wurde mir klar: Das war die nackte Angst. Was sage ich den Jugendlichen in dieser hoffnungslosen Zeit? Woher sollen die Worte kommen? Was sage ich? Selbst auf dem Podium, als ich vor ihnen stand, wusste ich immer noch nicht, was ich sagen sollte. Das war ein furchtbar beängstigendes Erlebnis. « Jane Goodall im Film »Jane´s Journey«
Kapitel 12
Pine-Ridge-Reservat, South-Dakota, 2009
»Im Jahr 2000 hat sich mein Sohn erhängt. Er war 16 Jahre alt. Bei der Beerdigung versprach ich ihm, dass ich etwas tun würde.« Robert Whitemountain, Lakota-Indianer, im Film »Jane´s Journey«
Die Straße vor der Kühlerhaube des Pick-up scheint geradewegs ins Nichts zu führen. Rechts und links von ihr zieht sich bis zum Horizont die endlose Weite der Prärie von South-Dakota hin, auf der noch die letzten Schneereste vom vergangenen Winter liegen. Jane Goodall ist unterwegs ins Pine-Ridge-Reservat im Südwesten des Bundesstaats, der Zwangsheimat von mehr als 15 000 Lakota-Indianern.
Das Pine-Ridge-Reservat erstreckt sich über eine Fläche von knapp 11 000 Quadratkilometern und ist damit nur wenig kleiner als das österreichische Bundesland Tirol. Es zählt zu den ärmsten Regionen der US A. Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsrate sind überdurchschnittlich hoch, die Lebenserwartung der Bewohner liegt bei unter 50 Jahren. Die Suizidrate ist etwa viermal so hoch wie der Landesdurchschnitt, vor allem unter den Jugendlichen.
»Mein Heimatort Bear Soldier war als Selbstmord- Hauptstadt der USA bekannt, auf Platz 2 hinter Japan. Jede Woche gab es bei uns drei bis sechs Selbstmordversuche. Mein Sohn hatte 65 Freunde in seinem Alter, und weniger als 15 blieben übrig.« Robert Whitemountain, Lakota-Indianer, im Film »Jane´s Journey«
Robert Whitemountain wusste nicht, was er machen sollte, bis ihm eines Tages einer seiner Freunde von Jane Goodall erzählte. »Wenn sie in der Lage ist, das Töten der Affen zu stoppen ...«, überlegte er, »vielleicht kann sie uns helfen mit unseren Kindern, denn die bringen sich alle um.« Er nahm Kontakt zu ihr auf, und fünf Jahre nach seinem Schwur am Grab seines Sohnes besuchte Jane Goodall zum ersten Mal das Pine-Ridge- Reservat. Robert Whitemountain schilderte ihr das trostlose Leben der Reservatsbewohner, erzählte ihr von den Selbstmorden, den Aggressionen, der Gewalt, dem weitverbreiteten Alkoholismus und den Drogen und von der überall vorherrschenden Hilflosigkeit.
»Ich erzählte ihr alles, was hier los ist. Und sie hörte zu.« Robert Whitemountain, Lakota-Indianer, im Film »Jane´s Journey«
Jane Goodalls Besuch im Jahre 2005 brachte ein wenig Hoffnung in das Reservat und in das Leben seiner Bewohner. Ein engagiertes junges Paar, sie Lakota, er Weißer, gründete eine »Roots & Shoots«-Gruppe, um zunächst wenigstens die drängendsten Probleme in Angriff zu nehmen. Aber bei allem Enthusiasmus hatten sie nicht mit der allergrößten Schwierigkeit gerechnet: die überall herrschende Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber ihrer eigenen Situation zu überwinden. Aber die Gruppe gibt trotz vieler Rückschläge bis heute nicht auf, denn sie weiß: Jeder kleine Schritt zählt!
»Unser Volk war bekannt als die Hüter des Landes. Aber im Laufe der Jahre haben wir die Verbindung dazu verloren. Jetzt helfen uns Jane und die Leute von Roots & Shoots, diese Verbindung zur Natur zurückzugewinnen. Die Jugendlichen werden wieder geerdet, sie nehmen das Leben wieder in der simpelsten Form wahr, die wir begreifen können, denn es wächst aus dem Boden.« Robert Whitemountain, Lakota-Indianer, im Film »Jane´s Journey«
Vier Jahre nach ihrem ersten Besuch ist Jane Goodall wieder im Pine-Ridge-Reservat. Eine Rundfahrt durch den kleinen Ort, in dem Robert Whitemountain zu Hause ist, offenbart die erbärmlichen Umstände, unter denen die Lakota-Indianer leben müssen. Ihre einfachen eingeschossigen Holzhäuser beiderseits der Straße liegen weit auseinander, denn Platz ist
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