Januarfluss
schwer, die Kleider unserer einstigen Herrin zu tragen. «
» Es bringt Unglück! « , ruft Mia schlieÃlich doch noch aus.Genau diese Aussage wollte Rosa wahrscheinlich verhindern.
» Aber bei Ihnen spielt das ja keine Rolle « , sagt Rosa beherrscht. Sie kannten die Senhora nicht, oder? «
» Nein, nicht persönlich. «
» Dann bringt es auch kein Unglück « , sagt Mia, erleichtert, einen Ausweg aus ihrem Fettnäpfchen gefunden zu haben.
» Das ist mal wieder so ein typischer Sklaven-Aberglaube « , sage ich. » Es sind nur Kleider. Zusammengenähte Stoffbahnen. Ich bin mir ganz sicher, dass darin nicht der Geist der ehrenwerten Senhora haust. «
» Genau « , bestätigt Rosa und bedenkt Mia mit einem tödlichen Blick. » Die Senhora ist im Himmel. «
» Der liebe Herrgott schütze und behüte sie « , murmelt Mia.
» Amen « , sagen Rosa und ich gleichzeitig. Wir sehen uns an und lachen. Zum ersten Mal habe ich für einen winzigen Augenblick den Eindruck, dass Rosa vielleicht doch ganz nett sein könnte.
Schon am Abend ist das erste der geänderten Kleider fertig. Was vorher ein langweiliges, konservatives blaues Kleid für eine ältere Senhora war, ist mit Hilfe von ein paar aufgenähten weiÃen Streifen aus Lochspitze und Besätzen aus demselben Material an den Ãrmeln sowie am Ausschnitt zu einem mädchenhaft-fröhlichen Teil geworden, mit dem ich mich wirklich blicken lassen kann. Dom Fernando wird nie im Leben das Kleid seiner Mutter darin wiedererkennen.
Die Befürchtung, er könne sich daran stören, dass ich die alten Sachen auftrage, erweist sich ohnehin als unbegründet. Er sieht mich nämlich gar nicht richtig an, als er spät am Abend zurückkehrt und wir noch einen Schlummertrunk im Salon nehmen. Irgendetwas Schlimmes muss geschehen sein, denn er wirkt wütend. Siedend heià fällt mir plötzlich ein, dass ich das Geld gar nicht wieder zurückgelegt habe. Wenn das nun der Grund für Dom Fernandos grässliche Laune ist? Eigentlich kann das nicht sein. Der fehlende Betrag ist für jemanden wie ihn eine kleine Summe, darüber kann man nicht wirklich so erbost sein. Dass ich mich hierin schwerwiegend täusche, stelle ich am nächsten Morgen fest.
Es ist Samstag, der 4.Februar 1888. Dieses Datum werde ich so schnell nicht vergessen, denn an diesem Tag habe ich das ScheuÃlichste miterlebt, zu dem Menschen fähig sind.
Ich habe länger als gewohnt geschlafen und wundere mich, warum im Speisezimmer zwar der Frühstückstisch gedeckt ist, aber kein Dienstbote weit und breit zu sehen ist. Ich schaue mich suchend um, aber es ist niemand da, der mir einen Kaffee bringen könnte. Zufällig blicke ich auch durch das Fenster nach drauÃen, in den Innenhof. Was ich sehe, lässt mich vor Schreck erstarren.
Alle Sklaven stehen mucksmäuschenstill an eine Hauswand gedrückt. Vor ihnen steht Dom Fernando, eine Peitsche in der Hand, die er nervös gegen die andere Hand schlägt. Es ist gespenstisch still dort drauÃen.
» Ich warte « , höre ich Dom Fernando sagen, seine Stimme durch das geschlossene Fenster gedämpft.
Das grausige Spektakel scheint schon eine Weile anzudauern. Von meinem grünen Zimmer aus, das zur anderen Seite hinausgeht, habe ich nur nichts davon mitbekommen.
Alle Sklaven blicken zu Boden. Ich suche die Reihen nach bekannten Gesichtern ab, und da sehe ich sie, Rosa und Mia, hasserfüllt die eine, verheult die andere. Im selben Moment sehe ich noch etwas: In einer Ecke des Hofs ist eine Art Gerüst aufgestellt worden, in dem man einen Schwarzen mit Seilen so aufgehängt hat, dass seine Arme und Beine weit vom Körper abgespreizt sind. Sein Rücken ist voller blutiger Striemen. Eine Auspeitschung! Ich werde zur Zeugin einer öffentlichen Auspeitschung, einer Bestrafung, die ich für längst ausgerottet hielt. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter, Teufel auch!
Die Lust auf Kaffee und Croissants ist mir gründlich vergangen. Ich eile nach drauÃen. Vielleicht kann ich irgendwie Dom Fernandos Gnade erwirken. Ich werde an seine Menschlichkeit appellieren, an seine christliche Nächstenliebe, an seine Pflicht als Sklavenhalter, die ihm anvertrauten Seelen gut zu behandeln. Jesusundmaria! Was dieser Sklave wohl angestellt hat, dass er so streng bestraft wird?
Als ich durch die Tür nach drauÃen trete,
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