Januarfluss
Winkeln der Stadt, wird es eine Wohltat sein, die reine Luft zu atmen und unberührte Wälder zu durchstreifen. Das Wetter ist ideal dafür, ein paar dicke weiÃe Wolken jagen über den Himmel, vorangetrieben von einem frischen Wind.
» Wenn Sie möchten, kann ich unter den Kleidern und Stiefeln von Dona Margaritaâ der Herr hab sie selig!â nach etwas suchen, das Ihnen passt « , sagt Rosa, die noch immer an der Tür steht.
Bitte? Hat man die Sachen der verstorbenen Eltern Dom Fernandos etwa alle aufbewahrt? Die Vorstellung, in den Kleidern einer Toten herumzulaufen, noch dazu einer toten Dame, die um ein Vielfaches älter war als ich, lässt mich schaudern.
» Nein, danke « , lehne ich ab. Ich werde in meinen eigenen Schuhen und meinem eigenen Kleid reiten, so ungeeignet die Sachen dafür auch sein mögen. Aber ich muss ja nicht gerade im wilden Galopp durch unwegsames Gelände rasen. Wenn ich langsam und vorsichtig bin, wird es auch so gehen.
Ich falte den Briefbogen, der mir die ganze Zeit als Sichtschutz gedient hat, und stecke ihn in ein Kuvert. » Bring den auf mein Zimmer, auÃerdem Feder und Tinte. Ich werde später weiterschreiben. «
Rosa nickt in gespielter Unterwürfigkeit und zieht sich zurück. Ich verlasse direkt hinter ihr den Raum. Auf einmal kann ich es kaum noch erwarten, ins Freie zu kommen.
Vor dem Haus wartet bereits ein Stallknecht mit einer fertig gesattelten Stute auf mich. Es ist ein schönes Tier. Ich streichle ihr die Nüstern, sie ist sanftmütig und ruhig.
» Wie heiÃt sie? « , frage ich den Burschen.
» Liberdade « , raunt er mir zu, als handele es sich um ein Losungswort. Und vielleicht ist es das ja auch. Liberdade heiÃt » Freiheit « â ein merkwürdiger Name für ein Geschöpf, das sein ganzes Leben in Gefangenschaft verbringen wird. » Reiten Sie nach Osten, bis zu dem zweigeteilten Mangobaum « , murmelt er leise, während er mir aufs Pferd hilft. Dann wendet er sich ab, noch bevor ich Fragen stellen kann.
Ist er ein weiterer Unterstützer von Lus Mission? Oder was hat das alles zu bedeuten?
Ich schaue mich um und orientiere mich an den Schatten, um festzustellen, wo Osten liegt. Dann traben Liberdade und ich los. Es ist ein herrliches Gefühl, ganz für mich allein in der freien Natur zu sein. Ich kneife die Augen zusammen, denn ich reite, da es noch früh am Tag ist, gegen die Sonne. Der Wind weht mir ums Gesicht und macht die Sommerhitze erträglich. Dennoch bildet sich Schweià zwischen meinen Brüsten, und ich spüre ein unangenehmes Scheuern von dem Schlüssel sowie dem Geld, da ich beides in meinem Ausschnitt versteckt habe.
Viel zu schnell kommt der » zweigeteilte « Mangobaum in Sicht. Es ist ein alter, abgestorbener Baum, der, wahrscheinlich von einem Blitz, der Länge nach gespalten wurde, und zwar fast bis zum Boden. Er muss einmal sehr imposant gewesen sein, denn selbst eine Hälfte des Stamms ist breit genug, um sich dahinter zu verstecken. Als ich näher komme, sehe ich eine Gestalt davor hocken, die sich gerade aufrappelt.
» Lu! « , freue ich mich.
» Bel! « , ruft auch er freudig aus.
Wären wir nicht die, die wir sind, würde ich mich ihm vielleicht in die Arme werfen. Doch ich steige nur ab und begrüÃe ihn mit einem Lächeln.
» Wie geht es dir im Haus des Schufts? « , fragt er.
» Bisher ganz gut. Ich bin ja erst einen Tag dort. « Ich steige vom Pferd, dann stehen Lu und ich uns plötzlich gegenüber und wissen nicht, wohin mit unseren Armen und Händen. Seit wann macht mich seine Gegenwart so verlegen?
» Ich weiÃ. Aber ich habe mir trotzdem schon Sorgen gemacht. «
» Das ist⦠« Beinahe hätte ich » lieb « gesagt, überlege es mir aber in letzter Sekunde anders. » â¦nicht nötig. Du weiÃt doch, dass ich mich ganz gut wehren kann. «
» Trotzdem. «
» Und du? Wie ist es dir ergangen? «
» Hätte schlechter sein können. Pass auf, Bel, wir können nicht lange reden. Wahrscheinlich kann ich auch nicht täglich hier erscheinen, um mich davon zu überzeugen, dass es dir gut geht. Aber ich wollte dir diesen Baum zeigen. Sieh mal. «
Er tritt an den gespaltenen Stamm heran und winkt mich zu sich. Er beugt sich über eine Ãffnung, in der Ameisen herumkrabbeln. » Siehst du das? «
Ich beuge mich etwas weiter
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