Januarfluss
hat.
Fernando: Es beweist gar nichts.
Lu: Die Polizei wird das anders sehen. Es werden Untersuchungen folgen. Ihr Ruf wird in jedem Fall ruiniert sein, sobald nur der leiseste Verdacht an die Ãffentlichkeit gelangt.
Fernando: Was wollen Sie? Reichen 100 Mil-Réis?
Lu (höhnisch lachend): Bei Weitem nicht.
Fernando: Sie sind dreist.
Lu: Und Sie sind ein Mörder.
Fernando: Also sagen Sie schon: Was wollen Sie im Austausch für den Original-Brief?
Lu: Die Freilassung Ihrer Sklaven. Vor allem all jener, die nach September 1871 geboren sind und die ohne Ihre dreckigen Tricks sowieso freiwären. Dazu gehören Mia, Luis, Joãozinho, Rosa, Luisaâ¦
Fernando: Unmöglich.
Lu: Dann nicht. Ich finde bei der Zeitung sicher jemanden, der mir eine angemessene Summe für den Brief zahlt.
Diese ganze Szene spielt sich in meinem Kopf so lebendig ab, und ich bin der Wirklichkeit einen Augenblick so entrückt, dass ich zu spät bemerke, wie ein Wachmann auf mich zukommt.
» Geht es Ihnen gut, Senhorita? « , erkundigt er sich höflich. Seit ich wieder anständige, saubere Kleider trage, werde ich von meinen Mitmenschen deutlich zuvorkommender behandelt als vorher.
» Aber ja « , antworte ich und habe Mühe, meine Nervosität zu verbergen. Das fehlte mir gerade noch, dass ausgerechnet jetzt ein Polizist auftaucht und mich womöglich erkennt.
» Sie wären nicht die erste Dame, der die Hitze nicht gut bekommt, wissen Sie. Sie sollten sich um diese Tageszeit lieber drinnen aufhalten, körperliche Anstrengungen meiden und viel Wasser trinken. « Er ist wirklich rührend um mich bemüht, und würde der Beamte nicht gerade mitten in eine kriminelle Aktion platzen, wäre ich ihm bestimmt dankbar für seine Besorgnis.
» Ich warte hier nur auf eine Freundin, die jeden Augenblick herunterkommen muss. Ich wollte mir das Treppensteigen ersparen « , lüge ich.
» Ah, so ist es richtig « , lobt er mich. » Also dann, Senhorita: Einen angenehmen Tag noch. «
Ich lächele ihn an. » Danke. Ihnen auch, Herr Wachtmeister. «
Genau in diesem Moment kracht die Tür des gegenüberliegenden Bürogebäudes donnernd gegen die Hauswand und ein Mann stolpert heraus. Ich erkenne nur an der Kleidung, dass es Lu ist. Sein Gesicht ist blutig geschlagen und er kann sich vor Schmerzen nicht mehr aufrecht halten. Er taumelt auf die StraÃe und bleibt dort reglos liegen.
Ich will schon loslaufen und nach Lu sehen, doch der Polizist hält mich auf. » Sie bleiben lieber, wo Sie sind, Senhorita « , sagt er mit der Autorität, die sein Amt ihm verleiht. Dann schreitet er würdevoll zu Lu, beugt sich über ihn und fühlt seinen Puls. Er hebt ihn vorsichtig an und schleppt ihn an den StraÃenrand, und zwar auf meine Seite, in den Schatten.
» Besorgen Sie bei Ihrer Freundin Wasser « , weist er mich an.
Dann geht er hinüber in das Kontorhaus, um der Ursache des Vorfalls auf den Grund zu gehen. Fernando erscheint in der Tür und brüllt: » Diese Verbrecher! Am helllichten Tag dringt dieses Pack hier ein und beraubt hart arbeitende Leute! «
Ich sehe, dass der Polizist Fernando beruhigend eine Hand auf den Oberarm legt und ihn sanft ins Innere des Büros schiebt. Wer weiÃ, was Fernando dem braven Wachtmeister für Lügen auftischt?
Mittlerweile sind einige Leute an ihre Fenster oder sogar aus ihren Häusern getreten, um das Geschehen mitzuverfolgen. Ein älterer Mann kommt aus seinem Ladengeschäft. Er hatte die Geistesgegenwart, einen Eimer Wasser mitzubringen, den er nun über Lu auskippt. Ich will ihm schon ein paar dankende Worte sagen, als der Mann zornig ausruft: » Diebisches Gesindelâ nirgends ist man mehr sicher vor ihnen! «
Lu blinzelt und erkennt mich. Gott sei Dank, er scheint keinen gröÃeren Schaden davongetragen zu haben. » Eg⦠Lau eg « , flüstert er mit schwacher Stimme. Ich verstehe ihn nicht sofort, im Gegensatz zu dem Ladenbesitzer.
» Niemand läuft hier weg! Du bleibst schön hier, Bürschchen, bis die Polizei dich abholt. «
Und die ist auch schon auf dem Weg. Der freundliche Polizist kommt über die StraÃe, in Begleitung eines laut schimpfenden Fernandos. » Der Kerl hat einfach in die Kasse gegriffen. Er muss mindestens 200Mil-Réis erbeutet haben! Lassen Sie uns sofort nachsehen, er muss sie ja noch bei sich tragen. «
Die beiden
Weitere Kostenlose Bücher