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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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aufweist, stehen die Waschschüssel, der Wasserkrug sowie ein ovaler Spiegel. Es scheint, als sei dieses mickrige Tischchen Frisierkommode, Esstisch sowie Schreibtisch in einem.
    Die Kammer ist schäbig. Doch als mein Blick zufällig in den Spiegel fällt, denke ich, dass ich genau hier hereinpasse: Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche. Mein sonst so herrlich glänzendes schwarzes Haar ist stumpf, meine Lippen sind spröde und rissig, und unter meinen leuchtend grünen Augen zeichnen sich dunkle Ringe ab.
    Es ist dieser Anblick, der mir den Rest gibt. Mein Kinn zittert schon bedenklich, doch ich habe mich immerhin so weit im Griff, dass ich mit fester Stimme sprechen kann. » Danke, Dona Eufrásia, ich denke, ich werde mich jetzt kurz ausruhen und mich erfrischen. «
    Als die Alte mein Zimmer verlässt, kommen die Tränen.

5
    Beim Frühstück beäugt mich Dona Eufrásia wieder einmal kritisch. Sie weiß, dass ich etwas vor ihr verberge, und wahrscheinlich fragt sie sich, wie sie am geschicktesten vorgeht, um mein Geheimnis zu lüften.
    Â» Guten Morgen, mein liebes Kind « , begrüßt sie mich überschwänglich. » Sie müssen am Verhungern sein, da Sie ja das Abendessen verschlafen haben. «
    So, denke ich, sie ist also beleidigt, dass sie das Essen umsonst aufgetischt hat.
    Â» In der Tat « , erwidere ich und blicke enttäuscht auf die beiden kümmerlichen Brotscheiben und die bereits schmelzende Butter, die vor mir auf dem Tisch stehen. » Ich könnte einen ganzen Ochsen verdrücken. «
    Â» Bitte, greifen Sie zu « , fordert mich die Zimmerwirtin mit einem verkniffenen Lächeln auf. Dann ruft sie in Richtung Küche: » Vovó, bring jetzt endlich den Kaffee! «
    Â» Vovó « heißt » Oma « . Aber die Großmutter von Dona Eufrásia kann wohl kaum gemeint sein, die müsste dann ja schon über hundert Jahre alt sein. Außerdem spricht man nicht in einem so respektlosen Ton mit seiner Oma.
    Ein Hutzelweiblein schlurft durch die Tür, die Kaffeekanne mit beiden Händen festhaltend. » Vovó « ist eine verschrumpelte, bucklige, zahnlose und fast kahle Schwarze. Eigentlich erkennt man nur an ihrer abgetragenen Dienstmädchenuniform, dass sie eine Frau ist. Sie tut mir leid. In ihrem Alter sollte man nicht mehr arbeiten müssen, schon gar nicht für eine so garstige Dienstherrin, wie Dona Eufrásia zweifellos eine ist.
    Unsere Sklaven zu Hause jedenfalls müssen nicht mehr arbeiten, wenn sie es nicht mehr können. Die wenigen, die überhaupt so alt werden, machen sich in den Sklavenunterkünften nützlich. Sie hüten die kleinen Kinder der anderen Sklaven oder sie kochen oder fegen. Wenn sie auch dazu nicht mehr imstande sind, sitzen sie einfach nur auf einem Schemel im Schatten, rauchen ihre Pfeife und erzählen gruselige Geschichten von früher. Von ihren Geistern und Göttern in Afrika dürfen sie nicht reden, aber ich weiß, dass sie es doch tun. Ich habe mich oft genug heimlich vor den senzalas herumgetrieben.
    Diese alte Sklavin hier sieht genau aus wie so eine afrikanische Priesterin. Viel kann ihre Hexerei aber nicht bewirken, denn sonst hätte sie Dona Eufrásia sicher schon längst mit einem schrecklichen Fluch belegt.
    Mit zitternden Händen schenkt mir die alte Sklavin Kaffee ein. Ich habe Angst, dass sie die Kanne fallen lässt, weil sie zu schwer für sie sein könnte. Dann schlurft sie zurück in die Küche, nur um wenig später erneut aufzutauchen, diesmal mit einer Kanne heißer Milch in den Händen. Sie sieht mich fragend an, ich nicke: » Ja, bitte. Ich trinke meinen Kaffee sehr hell. «
    Sie gießt Milch in meine Tasse, bis diese fast überläuft.
    Â» Vielen Dank « , sage ich.
    Die Sklavin nickt nur.
    Â» Sie ist stumm « , erklärt Dona Eufrásia. » Man hat ihr vor ewigen Zeiten, als sie noch jung und frech war, die Zunge herausgeschnitten. Weil sie gelogen hat. «
    Ich glaube, mir wird übel. Die Gräuel, die an Sklaven begangen wurden, sind unbeschreiblich. Zum Glück ist es heutzutage besser. Zumindest wird kein Sklave mehr angekettet oder öffentlich ausgepeitscht. Aber die seelischen Qualen, die die Schwarzen erdulden müssen, sind natürlich auch nicht viel besser.
    Ich gebe drei Löffel Zucker in meinen Kaffee, was mir missbilligende Blicke von Dona Eufrásia einbringt. Ich weiß

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