Januarfluss
überzogener Kristallleuchter deuten ebenfalls darauf hin, dass hier früher einmal wohlhabende Bürger gelebt haben müssen. Aber der alte Glanz ist längst verblasst, jetzt regieren hier Schmutz und Hoffnungslosigkeit.
Auf ein Zeichen des Mannes hin nehme ich auf einem wackligen Stuhl Platz. Auf dem Tisch steht eine Obstschale, in der eine Ananas und zwei Mangos vor sich hin gammeln. Ein Schwarm Fruchtfliegen schwirrt darum herum.
Am liebsten würde ich auf dem Absatz kehrtmachen. In diesem Haus will ich nicht wohnen. Aber der Gedanke daran, wieder hinaus in die Hitze zu müssen und ziellos durch die StraÃen zu ziehen, lässt mich verharren. Vielleicht haben sie hier ja auch freundlichere Zimmer.
» Ihre Frau Mutter� « , taste ich mich vorsichtig vor. Es erscheint mir merkwürdig, dass dieser Mann, der nicht besonders jung zu sein scheint, im Haus seiner Mutter lebt.
» Ja, sie wollte nur kurz zum Friedhof. Sie ist jeden Moment wieder da « , antwortet er. Er sieht mir dabei nicht in die Augen, sondern fixiert einen Punkt irgendwo oberhalb meines linken Ohrs. Vielleicht habe ich dort etwas? Womöglich hat sich irgendetwas in meinem Haar verfangen? Unauffällig streiche ich mit der Hand über die Stelle, aber es scheint alles in Ordnung zu sein.
» Wissen Sie denn, ob noch ein Zimmer frei ist? Ich meine, ich will Ihre Zeit ja nicht unnötig in Anspruch nehmen⦠« Was ich wirklich meine, ist, dass ich nicht die geringste Lust habe, hier zu warten, wenn ohnehin keine Chance besteht, ein Zimmer zu bekommen.
» Ich denke schon « , sagt er.
» Und wissen Sie vielleicht auch, was mich das kosten würde? «
» Oh, nein, tut mir leid. Da bin ich überfragt. Um alles Finanzielle kümmert sich mamãe. «
Dass er » mamãe « â » Mama « â sagt, macht mich stutzig. Er ist doch kein kleines Kind mehr! Ob der Kerl vielleicht minderbemittelt ist? Hoffentlich ist er nicht gefährlich. In diesem Augenblick horchen wir beide auf. Man hört Schlüsselklirren, gefolgt von einem schrillen » Bin wieder da, mein Kleiner « .
Ich rücke mit dem Stuhl vom Tisch ab und erhebe mich. Die Tür öffnet sich knarrend und eine alte Frau ganz in Schwarz kommt herein. Sie kramt beim Gehen in ihrer Handtasche, sodass sie mich noch gar nicht bemerkt hat. Als sie es endlich tut, bleibt sie stehen und kneift die Augen zusammen. Ich weià nicht, ob sie nur kurzsichtig ist oder ob sie damit ihr Missfallen kundtun möchte.
» Oh, wir haben Besuch. Stellst du mich deiner Bekannten vor, Adalberto? «
» Oh, s-s-sie ist n-n-nicht meine⦠« , versucht der Ãrmste sich zu verteidigen.
Ich komme ihm zuvor, denn ich habe, wie die meisten Menschen, keine Geduld mit Stotterern. Wobei er vorhin ja noch normal geredet hat. Aber gut, das ist sein Problem.
» Guten Tag, Senhora. Mein Name ist, äh, Iolanda da Silva und ich bin auf der Suche nach einem Zimmer. « Auf die Schnelle fiel mir nur der Name unserer Schneiderin ein, den ich für meine Zwecke missbrauchen kann, aber was sollâs.
» Ah, Senhorita Iolanda « , sagt sie und mustert mich zweifelnd von Kopf bis FuÃ. » Sehr angenehm, ich bin Dona Eufrásia, und meinen Sohn Adalberto haben Sie ja bereits kennengelernt. « Sie lässt es so klingen, als hätte ich ihrem Sohn unschickliche Avancen gemacht. » Nun, ich hätte da ein freies Zimmer, ein einziges noch, aber es ist das schönste im ganzen Haus. Allerdings vermiete ich nur an Gäste, dieâ wie soll ich sagen?â, die absolut vertrauenswürdig sind und die⦠«
» Einen guten Tag dann noch, Dona Eufrásia « , unterbreche ich sie und schultere mein armseliges Gepäck. Das habe ich wirklich nicht nötig, dass ich mich von einer so verwahrlosten alten Ziege beschuldigen lasse, nicht vertrauenswürdig auszusehen. Für was hält sie mich? Für eine Verbrecherin?
» Aber halt, werte Senhorita Iolanda, Sie verstehen mich völlig falsch! « Die Alte mit ihrem Krähengesicht ist ebenso versessen auf zahlende Kundschaft wie ich auf ein Bett. Ich sehe die Gier in ihren eng zusammenstehenden Augen. » Was ich sagen wollte, ist, dass wir hier keine Personen aufnehmen können, die von der Polizei gesucht werden, genauso wenig wie gefallene Mädchen oder gar zahlungsunfähige Gäste. Natürlich wollte ich Ihnen keineswegs unterstellen, zu
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