Januskopf
der Zeit war, Hardo einzuweihen. Aber noch nicht. Nicht jetzt sofort. Er würde ohnehin alle Hände voll zu tun haben, so ganz am Anfang einer Mordermittlung. Und Katinka wollte Veit treffen. Sie machte sich auf den Weg.
8. Biochemie
Veit Behlen sah aus wie der Prototyp des Men’s Health -Lesers. Das dunkle Haar glänzend vor Gel lümmelte er an einem Tisch und trank Aqua Panna.
»Ich war schon immer scharf darauf, eine echte Detektivin kennenzulernen«, sagte er gönnerhaft, sprang auf und streckte Katinka eine sonnengebräunte Hand hin.
»Ich dagegen interessiere mich für Veit Behlen«, sagte Katinka, setzte sich und sah ihn direkt an. Seine Augen waren grau. Wie Hardos. »Wie geht’s Ihnen mit der Familie Isenstein?«
Er nahm einen Schluck Wasser.
»Ehrlich gesagt habe ich mehr mit Mariele zu tun als mit dem Rest.«
»Ich nehme an, dass Ihnen das sehr recht ist.«
»Schon. Klar. Wir sind seit einem knappen Jahr zusammen. Sind uns auf der Sandkirchweih über den Weg gelaufen. Haben Sie da nicht mal einen Fall geklärt?«
Katinka grinste. Oft genug bekam sie es zu hören – das Spektakulärste, was von Katinka Palfy jemals durch die Presse gegeistert war.
»Das ist fast zwei Jahre her«, sagte sie. »Mögen Sie Ewald Isenstein?«
Er zögerte.
»Wir sehen uns nicht so oft. Manchmal gehen wir mit Charlotte, also mit Marieles Mutter, essen. Ewald kommt selten mit. Wahrscheinlich hat er keine Lust.«
Katinka bestellte sich eine Apfelschorle. Die Sonne brannte auf den Asphalt. Ein stählerner Himmel glänzte über den Dächern. Die Austraße wimmelte von Studenten, die Luft roch nach Sommer, nach baldigem Semesterende und nach Party.
»Keine Lust?«
Er zuckte die Achseln.
»Sie sind doch angehender Journalist«, munterte Katinka ihn auf. »Sie interessieren sich für alles, was neu und anders ist. Wie die Familie Isenstein!«
»Anders sind sie wohl, das kann man guten Gewissens behaupten.« Veit setzte sich gerade hin. »Während sonst überall die Väter den Herrn rauskehren, ist es bei Isensteins andersherum.«
»Charlotte ist der Chef?«
Katinkas Apfelschorle kam. Sie trank die Hälfte in einem Zug aus.
»Kann man so sagen«, nickte Veit. »Sie muss für jede Kleinigkeit sorgen. Dabei arbeitet sie mehr als acht Stunden am Tag im Geschäft, kommt nie vor zwanzig Uhr nach Hause. Ewald hockt daheim, schreibt seine wilden Geschichten, und das war’s.«
»Kein Beitrag zum Haushalt?«
»Nichts.« Veit blinzelte, als wolle er deutlich machen, dass er aus anderem Holz geschnitzt sei. »Mariele kommt schon damit klar. Sie ist ein harter Typ. Ein bisschen wie ihre Mutter. Sehr emsig.« Er machte eine Pause und goss den letzten Rest seines Wassers ins Glas. »Ich glaube, dass alle außer Ewald ziemlich gut zurechtkommen.«
»Glauben Sie an den freien Willen?«, fragte Katinka.
»Woran?« Er verschluckte sich. »Sie stellen wirklich komische Fragen. Im Fernsehen würden die Kerle wissen wollen, ob ich eine Ahnung hätte, wer den Brief geschrieben hat ...«
»Haben Sie eine?«
»Nein.« Er hob entrüstet die Hände.
»Welche Freunde gibt es in der Umgebung der Isensteins?«
»Wenige. Sie haben sich rar gemacht. Ewald ist als Freund ein bisschen zu stressig.«
»Verwandte?«
»Viele, alle aus Charlottes Familie. Sie hat drei Schwestern, und alle haben Kinder und Enkel. Zu Weihnachten gab es ein riesiges Fest. Ich war zum ersten Mal eingeladen und wurde besichtigt wie ein ausgestopfter Orang-Utan.« Er stöhnte. »Charlottes Schwestern leben alle weit weg. Sie gehen freundlich mit Ewald um, sie kriegen ja den Alltag nicht mit. Zwei Tage müssen sie durchhalten, dann fliegen alle wieder aus. Charlotte dagegen ...« Er brach ab.
»Kennen Sie Bernhard Kroll?«
»Den alten Knochen? Er geistert ständig bei den Isensteins herum. Jedes Mal, wenn ich zum Schillerplatz komme, ist Kroll schon da. Fast wie der Igel in der Fabel. Sie wissen schon: Hase und Igel.«
Katinka zog ihr Notizbuch heraus.
»Schreiben Sie mir Ihre Adresse auf? Nur für den Fall.«
Er schrieb in großen, geraden Schwüngen Straße und Hausnummer hin. Keinesfalls die Schrift auf dem Papier, das Katinka im Rucksack hatte.
Sie verabschiedete sich von ihm und schlenderte in die Hasengasse zurück. Er sah ihr nach. Sie war sich nicht sicher, aber irgendetwas an Veit Behlen machte sie neugierig. Kaum hatte sie ihr Büro aufgeschlossen, wusste sie, was es war: Er war zu umsichtig gewesen. Es gab etwas, das er gerne unter Verschluss
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