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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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einen Mord begeht, ist dann noch unwahrscheinlicher, als dass ich einen begehe.« Liz Thompson lachte herzlich.
    »Wenn die Umstände aber nicht so sind?«
    »Dann wird er unruhig und fahrig. Er verfällt in Schreibrausch. Er schreibt stundenlang, und in rasendem Tempo, bis er vor Erschöpfung zusammenbricht.«
    »Wird er aggressiv?«
    »Wenn er nicht schreiben kann oder darf. Die Hypergraphie ist das auffälligste Symptom an Ewald Isensteins Krankengeschichte. Er hört Stimmen, die ihn auffordern, den Stift in die Hand zu nehmen. Manchmal suggerieren sie ihm sogar die Farbe der Tinte. Etwas zwingt ihn zu schreiben. Alles andere ist für ihn nicht wichtig. Van Gogh hatte übrigens die gleiche Krankheit. Er schnitt sich ein Ohr ab, weil er meinte, Stimmen hätten ihm etwas Bedrohliches eingeflüstert.«
    »Sie sagten vorhin, das Hörzentrum ...«
    »Genau, die Hörrinde ist im Schläfenlappen angesiedelt. Deswegen haben viele Schläfenlappenepileptiker Stimm- oder Geräuschhalluzinationen.«
    Katinka packte Stift und Notizbuch weg und schob ihren Salat auf Abstand.
    »Enttäuscht?«, fragte Dr. Thompson mitfühlend.
    »Verwirrt«, gab Katinka zu.
    »Das sind wir alle, wenn wir uns an die Grenze zwischen krank und gesund heranpirschen«, tröstete Liz Thompson.
    »Also geht beides ineinander über?«
    »Wenn ein Künstler etwas Gutes, Innovatives macht, dann stehen wir da und sagen ›irre!‹. Merken Sie was?«
    »Wir wählen ein Wort, das Verrücktheit bezeichnet, für eine Sache, die wir gut finden.«
    Dr. Thompson stippte zur Bestätigung ihren Zeigefinger in Katinkas Richtung.
    »Right. Ein ›normales‹, störungsfreies, konformes Leben ist eben nicht unbedingt vergnüglich und wird nicht bewundert. Und wenn jeder einverstanden ist mit dem, was Sie tun, dann sind Sie garantiert nicht innovativ!«
    »Wie gehen Sie eigentlich mit all den Krankheiten um, die auf Sie einströmen?«, fragte Katinka.
    »Mit den Geisteskranken? Das sind Menschen, keine abstrakten Krankheiten. Aber Sie spielen schon auf das Richtige an. Es gibt Momente, da kann man das alles nicht mehr hören. Syndrome. Panikattacken. Depression. Beim Motorradfahren vergesse ich alles. Das ist meine Flucht aus der Wirklichkeit.« Sie wühlte einen Terminplaner aus ihrer Tasche und blättere darin. Katinka erhaschte einen Blick auf krakelige, unlesbare Buchstaben.
    »Glauben Sie an den freien Willen?«, wollte Katinka wissen.
    »Ha! Hübsch formuliert.« Liz Thompson steckte den Planer weg. »Glaube ist ein Hirnzustand. Wille auch. Nichts als Biochemie.«
    »Aber ...«
    »Junkies spüren die belebende Kraft ihrer Droge schon, wenn sie die Spritze an die Vene setzen. Sie glauben an die Macht der Droge. Denken Sie an die erste Tasse Kaffee am Morgen. Allein der Duft weckt Sie auf! Biochemie. Hirnzustand.« Die Ärztin erhob sich. »Sorry, meine Patienten warten. Vertiefen wir das Thema bei Gelegenheit bei einem Bier?«
    »Gern«, sagte Katinka nachdenklich und folgte Liz Thompson auf die Straße.
    »Denken Sie nicht, es wäre so schlecht, wenn der Glaube Biochemie ist«, sagte Liz zum Abschied. »Es bedeutet in der Konsequenz nur eins: Glaube kann Berge versetzen. Denken Sie an die Junkies.«

9. Zusammenbruch
     
    Bald aber war es, als strahle der glühende Funke himmlischer Begeisterung durch mein Inneres – ich überließ mich ganz den Eingebungen des Moments. Ich fühlte, wie das Blut in allen Pulsen glühte und sprühte – ich hörte meine Stimme durch das Gewölbe donnern – ich sah mein erhobenes Haupt, meine ausgebreiteten Arme wie von Strahlenglanz der Begeisterung umflossen. Heftiges Weinen – unwillkürlich den Lippen entfliehende Ausrufe der andachtsvollsten Wonne – lautes Gebet hallten meinen Worten nach. 3 3
     
    Den Kopf voller bestürzender Details radelte Katinka in glühender Hitze zurück in die Hasengasse. Vor dem Teeladen in der Austraße begegnete sie Markus Isenstein, der lustlos die Auslagen betrachtete.
    »Ach, Frau Palfy!« Er lächelte breit. Seine nackten Füße steckten in Zehenstegsandalen. »Ich bin«, er wies mit dem Daumen auf die Schaufenster, »auf der Suche nach einem Geschenk. Und was treibt Sie hierher?«
    Katinka stieg vom Rad.
    »Meine Detektei liegt hier um die Ecke.«
    »Haben Sie schon was herausgefunden?«
    »Enorm viel. Jetzt gilt es zu sortieren.«
    Sie schob ihr Rad weiter. Markus Isenstein winkte und rief:
    »Dann wünsche ich Ihnen gute Intuitionen.«
    Im Büro ließ Katinka die Tür offen und riss das

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