Januskopf
die Augen. »Warum zwei, Frau Palfy? Warum steht hier ›gleich zwei‹?«
»Das frage ich mich auch«, sagte Katinka verwirrt. »Heute Morgen ist ein Mann im Luitpoldhain ermordet worden. Ein Mann.«
»Aber Ewald ...« Charlotte verlor sich in ein paar Schluchzern und war dann plötzlich ganz still.
»Sie sollten zur Polizei gehen«, schlug Katinka behutsam vor. »Frau Isenstein, wo war Ihr Mann heute Nacht?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Wir haben getrennte Schlafzimmer«, erklärte Charlotte. »Ewald ist die halbe Nacht auf Achse.«
»Auf Achse?« Schweiß kitzelte in Katinkas Nacken.
»Nur im Haus. Normalerweise geht er nicht weg, aber manchmal wandert er auch in der Stadt herum. Meistens aber sitzt er oben unter dem Dach und schreibt.«
Au Backe, dachte Katinka. Das sieht böse aus für Ewald Isenstein. Sie blickte auf die wenigen Zeilen, geschrieben mit Kugelschreiber auf Umweltschutzpapier. Bevor sie ihre Gedanken sammeln konnte, flüsterte Charlotte:
»Sie glauben doch nicht, dass er es getan hat, oder? Sie glauben es doch nicht.« Sie stand auf, beschäftigte ihre Hände mit einem Basilikumtöpfchen auf der Fensterbank, und sagte:
»Bitte finden Sie heraus, wer uns das antut. Mit Ewald zu leben ist eine Prüfung. In guten und bösen Tagen, das verspricht man sich, wenn man heiratet, aber,« sie drückte die Erde um die grünen Stängel fest, »meine Kraft reicht nicht mehr. Was soll ich nur tun. Wo soll ich hin und wohin mit ihm. Ich kann ihn doch nicht zugrunde gehen lassen.« Sie strich über ihren weißen Rock und hinterließ braune Erdspuren.
»Wir brauchen die Polizei, Frau Isenstein. Mit einem richterlichen Beschluss können sogar Schriftstücke als Vergleichsproben beschlagnahmt werden.«
»Ich will keine Polizei«, sagte Charlotte Isenstein scharf.
Katinka kannte die Alternativen, und die gefielen ihr nicht. Sie würde das Haus am Schillerplatz observieren müssen, Tag und Nacht. Darauf hoffen, dass noch einmal ein Brief kam. Hielte der Täter das Muster ein, würde er warten, bis der nächste Mord geschah und dann seine Post vorbeibringen. Katinka schauderte. Einfacher wäre jene Variante, die sie vor Hardo unter allen Umständen verborgen halten musste: Palfy als Undercover-Agentin in den Wohnungen der Beteiligten. Sie seufzte. Natürlich besaßen alle Menschen Kugelschreiber, und auch Recyclingpapier und C6-Umschläge mit dem Umweltlogo waren nicht gerade selten. Aber es wäre einen Versuch wert. Nur um zu checken.
Charlotte Isenstein straffte die Schultern. »Ich will keine Polizei, verstehen Sie? Keinesfalls.« Ihr Gesicht wurde weiß, sie klammerte sich an die Tischplatte, sank auf den Stuhl und begann wieder zu weinen. Katinka strich ihr über den Rücken und rief Dr. Thompson an. Es war kurz nach halb drei.
Die Ärztin kam zwanzig Minuten später. Charlotte saß zusammengesunken am Küchentisch und reagierte auf Fragen mit teilnahmslosem Schulterzucken. Katinka verabschiedete sich und klingelte bei Gunda Geller im Nachbarhaus.
»Ja, bitte?«, knatterte es aus der Gegensprechanlage.
Der alte Bamberger Charme, dachte Katinka seufzend.
»Privatdetektivin Palfy. Ich muss Sie dringend sprechen.«
Der Summer ertönte. Im ersten Stock empfing eine Frau in Jeans und ärmellosem T-Shirt Katinka mit einem schlecht verborgenen neugierigen Lächeln um die Lippen. Sie sah aus, als liefe ihr das Wasser im Munde zusammen beim Anblick einer besonders kunstvoll verzierten Cremeschnitte. Stramme Fettpolster beulten ihren Jeansbund aus.
»Sie haben Frau Isenstein heute verständigt, dass ihr Mann auf der Straße herumirrt?«
»Die sind nicht gerade einfache Nachbarn, die Isensteins«, Gunda Geller deutete mit beiden Händen in die Richtung, in der Isensteins wohnten. Ihre Oberarme schwabbelten. »Herr Isenstein steht manchmal plötzlich bei mir im Garten. Kommt einfach rüber, schert sich um nichts. Ich weiß, dass er nicht bösartig ist, aber jetzt im Sommer habe ich manchmal Bedenken, die Terrassentür offen zu lassen.«
Katinka dachte an ihr Fenster in der Detektei.
»Und heute beobachteten Sie Herrn Isenstein auf der Straße?«
»Er tigerte auf und ab wie ein«, Gunda Geller zögerte, »Verrückter. Hier ist wenig Verkehr, aber ein Motorrad schoss um die Ecke und hätte ihn beinahe erwischt. Ich ging raus, sprach ihn an. Er hörte mich gar nicht. Wie gejagt lief er hin und her. Da habe ich seine Frau angerufen. Sehen Sie, ich kann doch keine Verantwortung
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