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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Zustand Ihres Mannes kümmern als um Ihren eigenen?«
    Charlotte Isenstein zögerte, als erwäge sie, Katinka hinauszuwerfen. Schließlich sagte sie gepresst:
    »Es bleibt mir nichts anderes übrig.«
    »Ich bin froh, dass Ihre Tochter gestern gekommen ist.«
    »Ja.«
    »Ich war mir nicht sicher, ob ich vielleicht lieber Ihren Sohn verständigen sollte«, sagte Katinka. »Schließlich wohnt er gleich um die Ecke.«
    Charlottes Gesicht verzog sich. Unmerklich fast. Katinka konnte ausführlich genug darin lesen.
    »Könnten Sie mir etwas mehr über Bernhard Kroll erzählen?«, wechselte sie das Thema.
    »Bernhard? Du meine Güte, Sie glauben doch nicht etwa ...«
    »Ich habe einen Auftrag zu erledigen«, sagte Katinka, »wozu ich immer wieder neue Informationen benötige.«
    »Na gut.« Charlotte lehnte sich zurück und stützte den Kopf gegen die Wand. »Ich mochte Bernhard noch nie. Ein aufdringlicher Kerl. Scharwenzelt um Ewald herum wie ein Wachhund.«
    »Die Männer kennen sich aus der Referendariatszeit?«
    »Bernhard ist fünf Jahre älter als mein Mann«, sagte Charlotte. »Er kämpfte sich durch sein Studium. Setzte ein, zwei Jahre aus. Reiste durch die Welt. Bewarb sich beim Verfassungsschutz. Wurde nicht genommen.«
    »Verfassungsschutz?«
    »Er interessiert sich für Kryptologie. Aber bei den Männern im Trenchcoat wartete natürlich niemand ausgerechnet auf Bernhard Kroll. Er wurde Lehrer, weil ihm nichts anderes übrig blieb. Als er an der Schule anfing, versuchte er sich noch mit einer Doktorarbeit über Verschlüsselungstechniken, aber niemand wollte ihn betreuen. Von irgendwas muss der Mensch ja leben. Also begrub er den Traum, ein bedeutender Kryptologe zu werden, und brachte den Kindern Rechnen bei.«
    »Glücklich war er dabei aber nicht?«
    »Nein. Ich habe den Verdacht, dass seine Bandscheibenoperationen nur Pseudobehandlungen waren. Kroll kennt ziemlich viele Leute an Unikliniken.«
    »Sie meinen, er hat seine Beschwerden nur vorgetäuscht?«
    »Das wohl nicht. Aber er wollte möglichst oft ausfallen. So eine Operation ist kein Kinderspiel. Eine zweite und dritte erst recht nicht. Irgendwann kam er wohl auf die Idee, es gleich mit der Frühpensionierung zu versuchen. Zwei Jahre vor Ewalds Unfall hatte er Erfolg.«
    »In der Zeit vor dem Unfall«, fragte Katinka, »würden Sie sagen, dass Ihr Mann und Bernhard Kroll Freunde waren?«
    »Gute Kollegen wohl. Aber Freunde – nein. Ewald hat Bernhard im Referendariat viel geholfen, ihm die Lehrproben vorbereitet. Bernhard muss in der Didaktik eine Null gewesen sein. Minus Null.«
    »Nun kümmert sich Kroll um Ihren Mann, oder?«
    »Kümmern?« Charlotte Isenstein lachte auf. »Das hat er Ihnen sicherlich so verkauft. Er kommt ins Haus, wann immer es ihm passt, und macht Ewald nervös. Ewald will vor allem eins: in Ruhe schreiben. Taucht Kroll auf, ist er aus dem Rhythmus.«
    Katinka betrachtete Charlotte Isenstein. Eine Frau, die den ganzen Tag außer Haus war, um einen Lebensstandard zu halten, den vorher ihr Mann gesichert hatte. Ein ehemaliger Kollege mit vermutlich konservativen Ansichten, der dieser Frau vorwarf, den eigenen Mann zu vernachlässigen. Pflichtgefühl. So hatte Kroll seine Motivation genannt. Betreuungsleistung. Das klang nach Krankenschein.
    »Frau Isenstein«, fragte Katinka, »gab es irgendwann in den Jahren, seit Ihr Mann und Kroll sich kennen, Streit zwischen den beiden? Irgendetwas Unausgegorenes?«
    »Nichts, wovon ich wüsste.«
    »Wie versteht sich Ihr Mann eigentlich mit Ihren Kindern?«
    »Mit Mariele gibt es keine Probleme«, antwortete Charlotte sofort.
    »Und mit Ihrem Sohn?«
    »Nein. Alles o.k.« Charlotte Isenstein fasste sich an die Stirn. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie bitten, mich alleine zu lassen. Ich brauche ein bisschen Schlaf.«
    Also gibt es Probleme, dachte Katinka. So gewaltige Probleme, dass du nicht einmal daran denken kannst.
    »Selbstverständlich.«
    Katinka drückte Charlotte die Hand.
    »Und, Frau Palfy?«
    »Hm?«
    »Danke für gestern.«
    »Nicht der Rede wert«, sagte Katinka. »Nur eins noch: Ihr Mann floh als Kind aus Ungarn. Spielt das noch eine Rolle in seinem Leben?«
    Charlotte zuckte die Achseln.
    »Kaum. Früher sprach er ab und zu darüber. Aber seit dem Unfall ist es, als habe sein Gehirn diese Erinnerung gelöscht.«
    Katinka nickte, öffnete sachte die Tür, als könne sie Charlotte selbst im Hinausgehen stören, und trat auf den Gang. Von irgendwo hörte sie

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