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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Marieles Stimme.
    »Bist du noch in Königsberg?«, fragte sie. Es folgte eine Pause. »Mama ist fix und fertig«, kam es schließlich. »Wir sollten wirklich mit ihm reden.«
    Katinka schlich zur Treppe. Die Stimme kam von oben. Aus Ewalds Schreibstube.
    »Das ist super. Dann fahren wir gleich heute Nachmittag noch einmal hin. Markus sollte sich einfach manches nicht mehr leisten können. Papa muss das wissen. Holst du mich ab?«
    Katinka ertrug kaum die lange Pause.
    »O.k. Bis halb vier dann. Tschüss, mein Schatz!«
    Katinka verdrehte die Augen und stieg die Treppe hinauf. Mariele stand in Ewalds Reich aufgepflanzt wie Gabriel, der Erzengel. Sie hielt eine Mappe in der Hand und las mit angeekeltem Gesicht in den Aufzeichnungen ihres Vaters.
    »Mariele?«
    Die Mappe wurde zugeknallt.
    »Haben Sie mich erschreckt.«
    »War keine Absicht. Könnten Sie mir kurz weiterhelfen?«
    »Sicher.« Mariele war weiß um die Nase.
    »Sie verstehen sich gut mit Ihrem Vater, nicht?«, fragte Katinka.
    »Ja, schon.« Mariele blickte unsicher drein.
    »Beneidenswert. In den meisten Familien gibt es eine Menge dunkle Flecken. Ich weiß, wovon ich rede.«
    Mariele taute auf.
    »Bei uns nicht. Wir müssen zusammenhalten, wegen meinem Vater.«
    »Kommen Sie jedes Wochenende nach Hause?«
    »Fast. Mein Freund wohnt in Bamberg.«
    »Leipzig liegt ja nicht so ganz nah«, sagte Katinka, als riefe sie sich die Strecke gerade ins Gedächtnis. »Wie gut, dass Ihr Bruder hier in Bamberg lebt. Gleich um die Ecke sozusagen.«
    »Das hat nichts zu bedeuten«, schnaubte Mariele. »Markus klinkt sich gerne aus.«
    »Tatsächlich?« Katinka verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein.
    »Veit und ich kümmern uns wirklich viel um meinen Vater. Auch um meine Mutter zu unterstützen. Sie ist die Alleinverdienerin. So viel Pension kriegt mein Vater ja nicht.«
    »Verstehe. Ich habe übrigens gestern mit Ihrem Freund gesprochen. Einen guten Typen haben Sie abgekriegt!«
    Mariele strahlte.
    »Er hat mir schon erzählt, dass Sie ihn über meine Familie ausgefragt haben. Aber von uns schreibt niemand so grässliche Briefe.«
    »Gewöhnt man sich eigentlich an die Syndrome?«, fragte Katinka und wies auf die Mappe in Marieles Händen.
    »Irgendwie schon.« Mariele legte die Mappe weg. »Aber Papa ist mir sehr fremd geworden. Heute Nachmittag fahre ich mit Veit zu ihm nach Königsberg. Nur«, sie zögerte, »zur Sicherheit.«
    »Schreiben Sie mir doch bitte die Königsberger Adresse auf«, bat Katinka. »Sie ist mir abhandengekommen.«
    Mariele sah sie misstrauisch an, kritzelte aber dann in runden, auf- und abtanzenden Buchstaben die Anschrift auf ein Blatt.
    »Herzlichen Dank. Wenn Sie mir noch etwas erzählen wollen, das Licht ins Dunkel bringen kann, melden Sie sich, ja?«
     
    Katinka radelte zur Nonnenbrücke und schloss ihr Fahrrad an das Geländer. Halb zwölf. Die Luft stand. Was sich noch bewegte, tat dies langsamer als üblich. Katinka stieg die schmalen Treppenstufen zum Kanalufer hinunter und setzte sich ins Gras. Bei vielen Fällen fragte sie erst nach einigen Tagen Ermittlung nach dem Warum. Jetzt war es Zeit dazu. Sie stellte sich die Isensteins auf einem Familienfoto vor. Der kranke Vater. Eine zupackende Mutter, eine verantwortungsbewusste Tochter. Ein Sohn am Rand. War Markus der wunde Punkt der Familie? Würde sie mit Ewald darüber reden können?
    Katinka blickte sehnsüchtig auf das behäbig dahinfließende Wasser. Sie würde gern schwimmen gehen. Aber nicht heute. Heute gab es noch mehr zu erledigen. Sehr viel mehr.
    Weiterdenken. Sie stellte Kroll auf ihr imaginäres Foto. War Kroll einfach jemand, der Ewald viel verdankte und sich in seiner Schuld fühlte?
    Heute Nacht, dachte Katinka. Wer hat ihn da angerufen? Nach Mitternacht, als er schon schlief? Sie rupfte Grashalme aus. Wer war der andere Mann? Warum war Kroll gestern müde gewesen? Weil er früh aufgestanden war? An dem Tag, an dem der Mann im Luitpoldhain umgebracht worden war? Kroll mit einem Hammerfäustel in der Hand ... Katinka sah sich um. Hier am Ufer saß sie ganz allein. Es war kein schönes Ufer. Zerklüftetes Kopfsteinpflaster überwuchert von Gras, die Böschung voller Unkraut. Jemand vor ihr hatte Gras niedergetreten und eine Weile dort gesessen. Allein vom Nichtstun lief ihr der Schweiß über den Körper. Was hatte der andere Mann gemeint, als er sagte, alles sei noch ungewohnt für Kroll gewesen? Hatten Kroll und der andere Beatrix Hanf auf dem Gewissen? Und den

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