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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Briefumschläge. C6. Mit dem Umweltengel darauf. Sie hörte sich im Halbdunkel aufseufzen. Aber es bedeutete nichts. Das war das Schlimmste an ihrer Mission. Zum Scheitern verurteilt. Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis. Es sei denn, sie fände einen frischen Erpresserbrief. Das Telefon klingelte. Sie schrie auf, laut genug, um vor ihrer eigenen Stimme zu erschrecken.
    Das Gerät stand auf dem Boden neben dem Sekretär, ein altmodisches, scheußliches Teil mit Schnur und Wählscheibe. Katinka starrte auf das Telefon, unfähig, sich zu bewegen. In ihrem Kopf sagte jemand: Raus, ehe Kroll wach wird und runterkommt. Aber sie stand steif da. Sah der Karte zu, die aus ihrer Hand auf den Boden segelte und weich landete. Hechtete hinter einen Sessel in der Ecke und rollte sich zusammen wie ein Igel. Der Klingelton verstummte. Katinka hob den Kopf. Entweder war Kroll nicht da. Oder er hatte das Klingeln nicht gehört. Oder er hatte oben noch einen Anschluss und dort abgehoben.
    Katinka kroch aus ihrem Versteck und näherte sich dem Telefon so vorsichtig wie einem giftigen Skorpion. Das Ohr nahe an dem Gerät hörte sie ein feines Summen. Ihre Hand griff nach dem Hörer. Katinka beobachtete erstaunt, wie die Finger in der weißen Latexhülle den Hörer anfassten und hochhoben, ganz langsam und allmählich, obwohl sie ihnen keineswegs den Befehl dazu gegeben hatte. Am anderen Ende hörte sie eine männliche Stimme sprechen.
    »Morgen? Gegen zwei Uhr.«
    »Na gut«, kam es verschlafen von Kroll. »Ich bin immer noch ziemlich kaputt.«
    »Ich habe schon gemerkt, dass alles noch ungewohnt für dich war. Da machen die Nerven schon mal schlapp.«
    Eine Pause entstand. Katinkas Herz schlug so laut, dass sie sicher war, Kroll würde es hören. Er brummte etwas, als gefiele es ihm nicht, dass jemand seine Nerven kritisierte.
    »Also, dann ist es ausgemacht«, sagte der andere. »Samstag um zwei hole ich dich ab.«
    »In Ordnung«, sagte Kroll.
    »Nacht.«
    »Nacht.«
    Es knackte in der Leitung. Katinka lauschte weiter in den Hörer. Sie hörte schnelle, erregte Atemzüge. Sie selbst keuchte wie ein Jagdhund.
    Über ihrem Kopf dumpfe Geräusche. Katinka warf den Hörer auf die Gabel, schnappte sich ihren Rucksack und stürmte in den Korridor. Schritte. Eine Tür öffnete sich knarrend.
    »Wer ist da?«
    Katinka riss die Haustür auf. Kroll kam polternd die Treppe herunter. Mit fliegendem Atem stürmte Katinka davon. Ihre Turnschuhe rammten den unebenen Asphalt hart bei jedem Schritt. Sie raste das Mühlwörth entlang bis zu den Mühlbrücken, meinte, auf ihrer Schulter kalte Finger zu spüren, wusste, dass sie sich täuschte, schlug einen Haken zur Geyerswörthstraße und rannte am Stadtbad vorbei bis zum Alten Kanal. Der betörende Duft von Heckenrosen wehte ihr nach.
    Hier der erste Blick zurück. Nach Luft schnappend beugte sie sich über das Brückengeländer. Natürlich war sie zu schnell für Kroll. Das harte Training lohnte sich. Aber sie wusste nicht, ob er sie gesehen und erkannt hatte. Unwahrscheinlich, aber möglich. Heftiges, unregelmäßiges Herzklopfen. Noch schlimmer war, dass sie sich wie eine Anfängerin verhalten hatte. Dilettantisch hoch neun, dachte sie, während ihre Füße von selbst den Weg nach Hause einschlugen. Alle paar Meter sah sie sich um. Kroll war nicht zu sehen. Sie zog sich das Piratentuch vom Kopf. Wütend auf sich selbst schleuderte sie ihre Gummihandschuhe in einen Mülleimer. Nur unbedachte Neugier hatte sie veranlasst, das Telefon abzuheben. Sie sah auf die Uhr. Halb eins. Carla hatte recht. Der Wille und die bewusste Intention sind nur zwei der Kräfte, die uns antreiben, und lange nicht die stärksten, dachte Katinka. Es ist wahr. Es ist einfach wahr.
     
    Kroll jagte Katinka durch die Stadt. Er trug Springerstiefel und einen Armeeanorak. Katinka rannte, bis ihre Lunge in Fetzen hing. Sie stürzte über ein Brückengeländer. Ein sehr hohes, metallenes Brückengeländer. In der Ferne hörte sie eine Lok pfeifen. Sie kippte über die Reling wie ein Seemann im Suff und fiel und fiel und ...
    »Katinka!«
    Eine Hand rüttelte sie sanft an der Schulter.
    »Hej, Kleines.«
    Sie mochte nicht, wenn er sie so nannte. Ausgenommen nach Albträumen.
    »Was ist los mit dir?«, murmelte Tom und rollte auf Katinkas Seite hinüber. Seine Arme waren fest und warm und er roch nach Kneipe und Schlaf.
    »Schlecht geträumt«, sagte Katinka. Sie hörte ihren Atemzügen zu.
    »Ein Mörder?«
    »Ja. So

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