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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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schimmerndem Wasser. Neben den Sparbecken hinter dem Sperrzaun kämpften kreischend zwei Krähen. Grünlich schimmerte die Kanzel des Schleusenwartes in das Dämmerlicht. Weit hinten in der Biegung des Kanals im Süden konnte Katinka die Positionslichter eines Frachters ausmachen.
    »Herr Isenstein, sind Sie hier irgendwo?«
    Sie stand auf dem asphaltierten Platz hinter dem westlichen Schleusenturm. Fast die ganze Längsseite der Schleuse war umzäunt, Warnschilder hingen an den Metallgittern. Weit weg donnerte es. Langsam glitt der Frachter auf die Schleuse zu. Sehr langsam. Als zögere er. Katinka versicherte sich, dass ihre Pistole an Ort und Stelle war.
    »Herr Isenstein?« Sie hatte wirklich keine Lust, zum Narren gehalten zu werden. Tom hatte zwei Tage und eine Nacht in der Gewalt eines Wahnsinnigen verbracht. Schon brach die zweite Nacht an. »Herr Isenstein? Sind Sie hier?«
    Die Windstöße kräuselten das Wasser. Laub zappelte im Schleusenbecken. Es war bis zum Rand gefüllt. Das Schiff würde einfahren können. Katinka blickte zu der Ampel am südlichen Ende hinüber.
    »Frau Palfy, da sind Sie ja!«
    Ewald Isenstein wuchs hinter Katinka aus dem Boden. Sie fuhr herum und verbiss sich den Reflex, zur Waffe zu greifen.
    »Guten Abend«, sagte sie außer Atem. »Sie wollten mich sprechen?« Ich rede, als säße ich hinter meinem Schreibtisch. Hinter meinem sicheren Schreibtisch.
    »Er ist mir gefolgt.« Ewald Isensteins knochige Knie ragten weiß in die Dämmerung.
    »Wer?« Sie sah sich um. »Ich sehe niemanden.«
    »Er hält sich versteckt.« Ewald fuhr sich über die Stirn. Er lächelte, ein schiefes, hässliches Lächeln. »Möchten Sie?« Er zog eine Flasche aus der Innentasche seiner Windjacke. Sein Messwein. »Mein kleines Teufelchen«, flüsterte er und entkorkte die Flasche.
    »Danke, für mich nicht. Herr Isenstein, wie sieht der Doppelgänger aus?«
    Katinka kam ein Gedanke. Ein garstiger Gedanke. Er flog heran wie ein Habicht.
    »Er ist groß und trägt einen Umhang und«, Ewald brach ab und trank, »er ist gefährlich!« Er senkte die Stimme. »Gefährlich«, wisperte er.
    Katinka sah sich um. Das Schiff war nun beinahe beim Schleuseneingang. Es schien, als verharre es in Wartestellung. Sie drehte den Kopf zur Schleusenkanzel. Ein Fenster war gekippt.
    »Haben Sie Geld, Herr Isenstein?«, fragte Katinka. »Geld, von dem niemand etwas weiß?«
    »Meine Frau bezahlt Sie doch!«, flüsterte Ewald.
    In der Schleusenkanzel schlug das Fenster zu.
    »Das ist schon in Ordnung«, beruhigte Katinka. »Aber ich denke an die anonymen Briefe. Will jemand Geld von Ihnen?«
    Ewald sah verwirrt drein.
    »Er läuft mir nach. Das ganze Wochenende schon.«
    »Deswegen wollten Sie mit mir sprechen?«
    Sie hörten ein Knacken, drüben im Hain. Der Rettungsring an der Schleusenmauer vibrierte im Wind. Ein Blitz zuckte. Donner folgte, sehr fern.
    »Ja. Meine Frau glaubt mir nicht. Sie verstehen mich.« Ewalds Lächeln wurde freundlicher.
    »Was tut Ihr Doppelgänger? Und wer ist er?«
    »Möchten Sie?« Er hielt ihr die Flasche hin. Seine Hand zitterte so sehr, dass die Flasche vibrierte.
    »Danke, bei der Arbeit muss ich nüchtern sein.« Sie tastete nach der Pistole, nur so. »Ihr Doppelgänger hat Sie verfolgt?«
    »Er kann ins Haus.«
    »Hat er einen Schlüssel?«
    Dazu wollte Ewald nichts sagen. Er drehte sich um und starrte zu den Vorhaltebecken hinüber.
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    »Natürlich nicht! Er ist halb nackt.« Isenstein lachte. »Und er hat diesen Umhang drüber.«
    Wieder schlug das Fenster in der Kanzel. Warum schließt der da oben das Fenster nicht, bei dem Wind, dachte Katinka, wandte sich von Ewald ab und spähte am Schleusenturm hoch. Als sie sich wieder umdrehte, erblickte sie im Bruchteil einer einzigen Sekunde eine hoch aufgerichtete Gestalt, einen wallenden Umhang. Sie stürzte vornüber. Schmerz schoss durch ihren Körper. Dann wurde alles schwarz.
    Die Ohnmacht mochte eine Stunde gedauert haben oder auch nur wenige Augenblicke. Katinka schlug die Augen auf und sah sich um. Ewald Isenstein war verschwunden. Das Frachtschiff glitt in die Schleuse.
    Katinkas Knie pochten. Sie war auf die noch nicht verheilten Wunden gefallen. Blut drang durch ihre Hosen. Sie stützte sich auf die Hände und richtete sich auf. Ihr wurde übel, ihr Hals fühlte sich taub an. Sie tastete mit den Fingern darüber. Freundlicherweise hatte er ihr nicht den Schädel eingeschlagen, sondern sie mit einem gezielten

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