Janusliebe
intensiven Musterung unwohl zu fühlen.
«Terrier, wie nett», kicherte sie unsicher. «Aber dir ist sicher bekannt, dass es
ziemlich nervige Viecher sind, die dauernd bellen, keine Katze in Ruhe lassen kön-
nen und alles beißen, was sich vor ihrer Schnauze bewegt.»
«Mag sein.» Lawrence’ Augen bekamen ein schwärmerisch verträumten
Glanz. «Aber sie sind immer fröhlich und treue Begleiter für den, den sie in ihr
kleines Herz geschlossen haben.»
Dann, als würde er sich erst jetzt seiner Umgebung wieder bewusst, blickte
Lawrence sich um und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er nicht alleine auf der
Straße stand. Dutzende von Menschen drängelten an ihnen vorbei, manche sahen
Carry und ihn sekundenlang an, ehe sie mit gesenkten Köpfen weiterhasteten.
«Ich habe dir ein Mittagessen versprochen und jetzt stehe ich hier mitten auf
der Straße herum und starre dich an.» Er wandte sich zum Gehen. «Verzeih.»
«He!» Carry hielt ihn am Ärmel seines sicherlich sündhaft teuren Jacketts fest.
«Warte mal. Ich fand’s eigentlich ganz nett.» Sie lächelte mitten hinein in Law-
rence’ meerblaue Augen, deren Blick plötzlich wieder verschlossen wirkte. «Es
war ein nettes Kompliment. Mich mit einem Hund zu vergleichen, auf die Idee ist
noch keiner gekommen.»
«Wirklich?» Lawrence sah sie eindringlich an.
Das Leuchten kehrte in seine Augen zurück und ließ ihn sofort um etliche Jah-
re jünger erscheinen.
«Ja, ehrlich.» Carry nickte so eifrig, dass ihr Haarbusch fröhlich auf und ab
wippte. Im nächsten Moment wirbelte sie in einer übermütigen Pirouette herum,
fasste nach Lawrence’ Hand und zog ihn einfach mit sich, die Straße entlang, ohne
auf die erstaunten, teilweise missbilligenden Blicke der Passanten zu achten.
«Wenn ich nicht bald etwas zu essen bekomme, beiße ich tatsächlich um mich
herum wie ein Terrier», rief sie über die Schulter zurück, während Lawrence ver-
suchte, mit ihr Schritt zu halten.
«Nächste Ecke links», kommandierte er keuchend.
Richard Cline hatte Recht. Er hätte das Tennisspielen doch nicht aufgeben sol-
len. Gleich morgen, das nahm Lawrence sich in diesem Moment fest vor, würde er
sein Abonnement im Fitnesscenter erneuern und wieder regelmäßig trainieren.
Endlich standen sie vor dem Eingang zu «Sa Punta», einem spanischen Restau-
rant, das Lawrence bevorzugte. Mit seinen katalanischen Möbeln, den vergilbten
Fotos spanischer Großstädte an den Wänden und den riesigen Hibiskusbüschen
in großen Terrakottakübeln vermittelte es die perfekte Illusion einer spanischen
Bodega.
Carry fühlte sich hier auf Anhieb wohl. Während sie hinter dem Kellner zu ih-
rem Tisch ging, sah sie sich verstohlen nach eventuell bekannten Gesichtern um,
aber zwischen den Gästen, die an den mit irdenem Geschirr gedeckten Tischen
speisten, entdeckte sie kein bekanntes Gesicht, das ihre wahre Identität vor Law-
rence enthüllen und damit alles verderben könnte.
Es roch nach gegrilltem Fisch, Knoblauch und Rotwein, eine Mischung, die Car-
ry nur noch hungriger machte. Sie nahm auf einem der hochlehnigen Stühle Platz
und registrierte nebenbei, dass die Portionen hier nicht gerade sparsam ausfielen.
Der Herr am Nebentisch saß vor einer riesigen Schüssel voller Muscheln, deren
Anblick Carry das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, und von der bunten
Salatplatte gegenüber hätten gut und gerne zwei Personen satt werden können.
Zwei Tische weiter bekam eine einzelne Dame gerade einen Shrimpssalat ser-
viert. Ein verklärter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, während sie zusah, wie der
Kellner den Pokal, hoch voll mit Shrimps, gekonnt kredenzte.
Sie wirkte wie jemand, der sich das Essen in diesem Lokal selbst zum Geschenk
gemacht hatte. Aus diesem Anlass hatte sie das Beste aus dem Schrank geholt, was
sie besaß. Dieses dunkelblaue Seidenkostüm, bestehend aus einem engen Rock,
einer weißen Spitzenbluse und einem auf Taille geschnittenen Jackett, trug die
Dame ganz sicher nicht jeden Tag. Es war ihr Feststaat, den sie nur zu besonderen
Anlässen anzog, und das Make-up, das sie aufgelegt hatte, wirkte genauso, wie es
eben bei Frauen aussieht, die sich nur ganz selten schminken.
«Gefällt es dir?» Lawrence’ Frage riss Carry aus ihren Betrachtungen. Zum ers-
ten Mal wurde ihr bewusst, dass sie sich duzten. Irgendwie passte dies und sein gan-
zes Verhalten nicht zu dem, was sie bisher über seinen Charakter gehört hatte.
Sie
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