Janusliebe
hinter seinem Schreibtisch zu sitzen und sich
mit mir gemeinsam um die Firma zu kümmern.»
«Vielleicht fühlt er sich überfordert?», wagte Carry mit leiser Stimme einzu-
wenden.
Lawrence’ Lachen klang spöttisch.
«Von was? Vom Feiern und Tanzen?» Seine Miene wurde streng. «Als ich so alt
war wie er heute, habe ich Tag und Nacht gearbeitet. An eine Freundin oder Par-
tys konnte ich nicht mal im Traum denken. Aber Vincent nimmt sich jede Menge
Zeit dazu.» Lawrence verzog das Gesicht zu einer herablassend ärgerlichen Maske.
«Seine neueste und bisher verrückteste Idee ist die, zu heiraten!» Er spuckte die
Worte regelrecht in den Raum.
Carry horchte auf. Das war das Thema, dessentwegen sie in sein Büro gekom-
men war! Und es war DIE Gelegenheit, endlich darüber zu sprechen. Wenn sie es
jetzt nicht anpackte, dann würde sie wahrscheinlich nie mehr den Mut dazu fin-
den!
Sie setzte eine Miene auf, von der sie hoffte, dass sie harmlos wirkte, und rief
scheinbar erfreut: «Aber das ist doch schön!»
Dabei beobachtete sie aufmerksam Lawrence’ Gesicht, auf dem sich deutlich
Verärgerung abzeichnete, als er antwortete.
«Schön? Was für ein Unsinn!» Er unterbrach sich, weil der Kellner mit dem
Sekt, einem Kühler und zwei Gläsern zurückkehrte. Mit einer Handbewegung be-
deutete Lawrence ihm, dass er die Flasche selbst entkorken wollte. «Dieser Bengel
hat noch nicht einen Finger gekrümmt, um sein tägliches Brot zu verdienen, prä-
sentiert mir aber, ohne rot zu werden, eine Braut. Hochzeit wollen sie feiern und
alles mit dem Geld bezahlen, das ich verdiene.»
Lawrence schien jetzt tatsächlich wütend zu sein. Besorgt sah Carry die blaue
Ader, die an seiner linken Schläfe pochte, während er erregt weiterredete.
«Eine Frau will er ins Haus bringen. In das Haus unserer Eltern! Aber daraus
wird nichts. Vincent wird mir keine dieser geldgierigen Megären in die Familie
schleppen, die ihn todsicher zu noch größeren Dummheiten anstiftet! Ich habe die
Fabrik nicht aufgebaut, um sie von zwei dummen Kindern zerstören zu lassen.»
Carry hatte bei den Worten mehrfach schlucken müssen. Um Lawrence nicht in
die Rede zu fallen oder – noch schlimmer – ihm mit gezückten Krallen ins Gesicht
zu springen, hatte sie ihre Finger in den Saum des Minis gekrallt. Als sie sie jetzt
löste, war der Stoff an den entsprechenden Stellen ganz feucht und zerknittert.
«Vielleicht ist das Mädchen ja ganz nett», wagte sie einen vorsichtigen Ein-
wand.
Lawrence schnaubte verächtlich durch die Nase.
«Nett passt auf jeden hergelaufenen Welpen. Aber ich schwöre dir, das ist eine
ganz ausgekochte Dame. Die weiß genau, was sie will, nämlich unser Geld. Aber
das will der verliebte Trottel ja nicht einsehen.»
Daphne und ein geldgieriges Luder?
Nur mit Mühe hielt Carry den Protest zurück, der ihr auf der Zunge brannte.
«Ich habe das Mädchen kennen gelernt», wetterte Lawrence nichts ahnend
weiter. «Zugegeben, sie ist hübsch, aber strohdumm. Das Einzige, das sie weiß,
ist, dass Vincent die Hälfte der Firma gehört und die Hälfte des Vermögens. Hinter
dem ist sie her wie der Teufel hinter der Seele, und mein dusseliger Bruder bildet
sich ein, ihr Interesse gelte alleine ihm!»
Carry krallte erneut die Finger in den Rocksaum.
«Aber vielleicht liebt er sie von ganzem Herzen!»
Ihre Bemerkung löste bei Lawrence ein bitteres Auflachen aus.
«Liebe! Was wissen denn solche Mädchen schon von Liebe!» Seine Stimme
triefte vor Verachtung. «Eine kleine Verkäuferin, mit – ich schätze mal – höchs-
tens fünfhundert Dollar im Monat. Die will nur eins: schnellstens raus aus ihren
engen Verhältnissen.» Er winkte ab. «Glaube mir, ich kenne sie alle, die Biggys und
Sandys und Jennys, die vom großen Glück an der Seite eines reichen Mannes träu-
men. Nein, Carry ...» Sein Blick richtete sich auf Caroline, die ihren Widerspruch
nur noch mit Mühe zurückhielt. «Glaube mir, Liebe ist für die nur ein Wort.»
Carry räusperte sich.
«Und für dich?» Noch während sie sprach, hätte sie sich am liebsten selbst in
den Allerwertesten gebissen. Wieso fragte sie so blödsinniges Zeug?
Lawrence sah sie sekundenlang an, ohne etwas zu sagen, dann verschloss sich
sein Gesicht, ein Schleier schob sich vor den Blick der meerblauen Augen.
«Ach – Liebe.» Es klang verächtlich und zugleich auch resigniert. «Das ist so
ein Gefühl, von dem ein ganzer Wirtschaftszweig lebt.
Weitere Kostenlose Bücher