Janusliebe
lächelndes Gesicht vor sich mit den ungewöhnlichen Bern-
steinaugen, die ihn nachdenklich betrachteten. Sofort stiegen dann die Erinnerun-
gen an ihre Küsse, den Tanz vor dem «Sweet Daisy» und die aufreizenden Zärtlich-
keiten, die sie ihm erlaubt hatte, wieder in Lawrence auf.
Er spürte förmlich Carrys Hände auf seinem Körper, und in seinen Gedanken
gingen diese Berührungen sogar noch weiter. Er stellte sich vor, wie es sein würde,
wenn Carry jetzt neben ihm läge, völlig nackt seinen Blicken und Händen preisge-
geben, die ihren Körper Zentimeter für Zentimeter genussvoll erforschten.
Sicher war Carry eine phantastische Geliebte!
Die Zärtlichkeiten vor dem «Sweet Daisy» hatten Lawrence bereits einen Vor-
geschmack auf kommende Genüsse gegeben. Sie hatten aber auch ein Feuer in
ihm hinterlassen, das immer heller loderte, je mehr sich seine Phantasie mit Carry
beschäftigte. Es war ein Feuer, das nicht auf die Art gelöscht werden konnte, wie
es vielleicht ein Vierzehnjähriger getan hätte. Dafür brannte es viel zu heiß. Law-
rence’ einzige Rettung war alleine Carry, die dieses Feuer in ihm entfacht hatte.
Bei dieser Erkenntnis angelangt, warf Lawrence die Decke von sich und sprang
mit einem Satz aus dem Bett. Es war sinnlos, sich noch länger herumzuwälzen,
während in der Firma jede Menge Arbeit auf ihn wartete. Eigentlich hatte er sich
einen faulen Vormittag gönnen wollen, aber jetzt brannte Lawrence darauf, wie-
der an seinen Schreibtisch zurückzukehren. Er hoffte, dass ihn die Probleme dort
von seinen wirren Gedanken ablenken würden.
Er fühlte sich trotz der durchwachten Nacht beschwingt und gut gelaunt, als
er wenig später frisch geduscht und nach einem teuren Eau de Cologne duftend
aus seinem Zimmer trat. Der Butler starrte ihn erstaunt an, als ihm Lawrence zur
Begrüßung kameradschaftlich auf die Schulter klopfte und dann fröhlich pfeifend
an dem großen Esstisch Platz nahm.
Er war hungrig wie seit langem nicht mehr. Sich genüsslich die Hände reibend,
betrachtete Lawrence die verschiedenen Köstlichkeiten in den Silberschüsseln,
die Purler vor ihm aufdeckte.
Eier mit knusprigem Speck, kleine scharfe Bratwürstchen, wie Lawrence sie
liebte, und ein köstlicher Obstsalat erblickten nacheinander das Tageslicht. Law-
rence bediente sich und betrachtete dann geradezu liebevoll das bunte Stillleben
auf seinem Teller.
Ob Carry wohl auch gerade frühstückte?
Das Hungergefühl war mit einem Schlage weg.
So erfreut Lawrence eben noch nach seinem Besteck gegriffen hatte, so ange-
ekelt warf er es jetzt auf den Tisch zurück. Ihm drehte sich regelrecht der Magen
um, wenn er sich vorstellte, diese Portion aufessen zu müssen.
«Danke, Purler», murmelte er mit angewidertem Gesicht. «Ich glaube, ich
kriege keinen Bissen hinunter. Kaffee wird reichen.»
«Sehr wohl, Sir.» Purler nickte, geschickt seine Verwunderung verbergend.
Der Kaffee belebte Lawrence. Rasch leerte er zwei Tassen und eilte dann mit ei-
nem flüchtigen «Machen Sie sich einen schönen Tag, Purler!» aus dem Esszimmer.
Der Butler stellte die silberne Kaffeekanne vorsichtig auf die Anrichte zurück.
Erst dann erlaubte er sich ein erschüttertes Kopfschütteln.
———————
«Hallo, Miss Monaghan, Sie werden von Tag zu Tag hübscher, wissen Sie das?
Eine richtige Zierde für unsere Firma.»
Doreen blickte sich erstaunt um, aber außer Lawrence M. Carlson befand sich
kein anderer Mensch in der Empfangshalle. Also musste er die freundlichen Wor-
te ausgesprochen haben.
«Guten Morgen, Sir», stotterte Doreen verstört und betrachtete Lawrence
misstrauisch. Er stand lässig an den gläsernen Tresen gelehnt und schnupperte an
den zarten Blütenköpfchen eines Veilchens, das Doreen mit viel Mühe zum Blü-
hen gebracht hatte.
«Wunderschönes Pflänzchen», lobte Lawrence freundlich und stellte das
Töpfchen wieder an seinen Platz zurück. «Übrigens, ist Miss Wright schon im
Hause?»
Doreen, die noch mit ihrer Verblüffung kämpfte, fuhr entsetzt zusammen.
«Miss Wright, Sir?» Sie sah sich diskret nach einer Fluchtmöglichkeit um.
Lawrence nickte lächelnd, was Doreen noch mehr verunsicherte.
«Sie ... äh ... ich glaube, sie kommt nicht mehr», gelang es ihr endlich zu stot-
tern. «Eine Dame von ALIDA hat vorhin angerufen und mitgeteilt, dass sie uns
kein Personal mehr zur Verfügung stellt.»
Lawrence’ Gesichtsausdruck wechselte so abrupt, dass Doreen
Weitere Kostenlose Bücher