Janusliebe
erneut zusam-
menschrak.
«Diese verdammten Idioten haben was getan?» Seine Stimme war todsicher
durch alle Etagen des Gebäudes zu hören.
«Uns gekündigt», murmelte Doreen zitternd.
«Suchen Sie mir sofort die Nummer heraus», fauchte Lawrence. «Ich werde
diese Sklavenhändler persönlich anrufen und ihnen die Meinung sagen.»
«Aber Sir!» Doreen versuchte, ihren Chef aufzuhalten, aber Lawrence war be-
reits in sein Büro gestürmt. Das laute Zuschlagen der Tür verriet mehr als deutlich,
dass seine gute Laune verflogen war.
———————
«Du musst dem armen Lawrence ja mächtig den Kopf verdreht haben.» Daph-
ne grinste wie ein Faun und spießte genüsslich ein Salatblatt auf ihre Gabel.
Carry sah ihr schaudernd zu. Sie hatte einen widerlichen Vormittag hinter
sich. Nicht nur, dass Viola Tend, die Chefredakteurin des «Denver Chronicle», Car-
ry unmissverständlich ihren Ärger über den selbstherrlich freigenommenen Tag
hatte spüren lassen, es hatte auch gleich ein Interview mit Betty Heavers auf Car-
rys Terminkalender gestanden. Und damit nicht genug, sollte im Anschluss daran
eine Reportage über das Hausfrauentreffen des «Women Charity Clubs» folgen.
Carry war nach Violas Strafpredigt ins «Western Palace» gehetzt, wo sie tat-
sächlich die wasserstoffblonde Hitlistenstürmerin traf, die sich entgegen sonstiger
Gewohnheit pünktlich und auskunftsfreudig zeigte. Das hatte jedoch zur Folge,
dass Carry weniger Zeit blieb, sich den Hausfrauen zu widmen, die im «Forum Ho-
tel» tagten.
Dort hatte Carry Gott sei Dank einige Kollegen von anderen Zeitungen getrof-
fen, bei denen sie sich die entgangenen Informationen besorgen konnte. Als sie
kurz nach zwei Uhr mittags in die Redaktion zurückgekehrt war, hatte dort ein
Zettel an ihrem Bildschirm geklebt.
MITTAGESSEN IM STINGS UM 14.30. DAPHNE. WICHTIG!!!
Nun saß Carry hier in ihrem Stammlokal, fühlte sich todmüde und sah Daph-
ne beim Essen zu, derweil sie selbst keinen Bissen hinunterbekam.
«Vincent hat mich heute Morgen angerufen», erklärte Daphne kauend. «Er war
total geschockt von Lawrence’ Auftreten. Ich musste Vincent alles haarklein erzäh-
len, damit er seinen Bruder nicht wegen akuter Infantilität entmündigen lässt.»
Carry spürte, wie sich ihr Magen umdrehte. Allein die Erwähnung von Law-
rence’ Namen ließ die Erinnerung an die vergangene Nacht in ihr aufsteigen.
«Lawrence hat bei ALIDA angerufen und einen Mordsterror veranstaltet», be-
richtete Daphne weiter, wobei sie ungerührt Salatblatt für Salatblatt in den Mund
stopfte. «Natürlich konnten sie dort mit deinem Namen nichts anfangen, und nun
herrscht im Carlson Pumpenwerk eine Stimmung wie im Krieg, und Vincent weiß
nicht, wie er sich verhalten soll.»
Bei diesem Problem konnte Carry ihm leider nicht helfen. Sie wusste ja selbst
nicht, wie sie mit ihren Erlebnissen fertig werden sollte. Da waren die Lügen, die
sie Lawrence aufgetischt hatte und die nun wie eine unüberwindliche Mauer vor
ihr aufragten. Und da war die Sehnsucht nach einem Paar meerblauer Augen, de-
ren Blick Carry im Geiste verfolgte.
«Ich habe Vincent geraten, seinem Bruder reinen Wein einzuschenken», sagte
Daphne gelassen.
Wenigstens ihr war der Appetit nicht vergangen! Neidvoll sah Carry zu, wie sich
die Freundin ihren Teller mit einem wagenradgroßen Steak heranzog und es genuss-
voll vertilgte. Sie selbst saß vor einer Portion Salat, die langsam vor sich hin welkte.
«Besser Lawrence erfährt die Wahrheit von Vincent, als dass er die ganze Agen-
tur rebellisch macht und sich unsterblich blamiert. Denn dann wird er unserer
Hochzeit erst recht nicht zustimmen.»
Carry zuckte unangenehm berührt zusammen. Die Vorstellung, wie Lawrence
wutentbrannt das Büro der ALIDA-Personalvermittlungsagentur stürmte und
lauthals nach einer Caroline Wright verlangte, weckte panikartige Gefühle in ihr.
«Und ... wird Vincent mit seinem Bruder sprechen?», fragte sie ängstlich.
Daphne nickte. Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr und lächelte
spöttisch.
«Wahrscheinlich hat er das Inferno schon hinter sich. Ich bin gespannt, wie
die Geschichte ausgeht.»
«Ich auch», seufzte Carry. «Vor allem hoffe ich von Herzen, dass Vincent mit
seinem Bruder redet, und zwar bevor Lawrence tatsächlich persönlich bei ALIDA
Nachforschungen anstellt. Ich glaube, Lawrence schätzt es nicht besonders, sich
entschuldigen zu müssen.»
«Stimmt.» Daphne
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