Janusliebe
als
eine Wanderung durch den Eldorado Canyon. Man bekam dabei wenigstens keine
Blasen an die Füße!
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Das herrliche Frühlingswetter hielt auch an diesem Samstagmorgen an. Schon
gegen acht Uhr lockte eine strahlende Sonne die beiden Freundinnen aus den Bet-
ten. Die Vögel vor den Fenstern zwitscherten mit Daphne um die Wette, die auf der
Suche nach passender Bekleidung durch die Wohnung tanzte, während Carry, in
ihrer praktischen Veranlagung, ein eiliges Frühstück zubereitete.
Pünktlich um zehn Uhr standen die Freundinnen, beladen mit Trolleys und
Beautycases, vor dem Haus. Der blau uniformierte Chauffeur sah zwar etwas ver-
wirrt auf den Haufen Gepäck, lud jedoch alles kommentarlos in den Mercedes.
Nach Daphnes Schilderung war Carry bereits auf eine luxuriöse Umgebung
vorbereitet gewesen, aber was sich schließlich ihren Blicken darbot, als der Wa-
gen von der Straße in eine kiesbestreute Auffahrt einbog, übertraf bei weitem ihre
Vorstellungen.
Ein schneeweißes Herrenhaus im Stil der Südstaaten erhob sich vor ihr auf
einer weitläufigen, kurz geschnittenen Rasenfläche, in der kleine Inseln aus Bego-
nien, Goldtaler und Pomponette leuchteten, die ihre Blütenkelche dankbar dem
Sonnenlicht geöffnet hatten. Carry sah eine Unzahl blitzender Fenster zwischen
geschmackvollen Stuckverzierungen und eine handgeschnitzte Haustür – ach, was,
ein Portal!, korrigierte sie sich –, die sich wie von Zauberhand bewegt öffnete, um
die Neuankömmlinge einzulassen. Ein Herr in dunklem Anzug mit der Aura einer
Marmorstatue hieß die Besucherinnen willkommen, wobei er in der Mitte leicht zu-
sammenknickte. Irgendwie wirkte der ganze Mensch, als käme er aus der Retorte.
Allerdings blieb den Frauen wenig Zeit, sich über den Butler zu wundern, denn
kaum hatten sie die riesige Halle betreten, kam Vincent schon an dem stocksteifen
Diener vorbei auf Daphne zugerannt und riss sie ungestüm in seine Arme.
Während sich das Brautpaar hingebungsvoll küsste, betrachtete Carry die
wertvolle Holzvertäfelung an der Wand. Wie die Haustür schien auch diese hand-
gearbeitet.
«Hi, Carry!» Vincents freundliche Stimme riss Carry aus ihren Betrachtungen.
Rasch wandte sie sich um und erwiderte sein strahlendes Begrüßungslächeln.
«Herzlich willkommen auch im Namen meines leider noch abwesenden Bru-
ders.» Das fröhliche Glitzern in Vincents Augen verriet, dass er im Gegensatz zu
seinen Worten, Lawrence’ Abwesenheit nicht gerade bedauerte. «Er wurde in L. A.
aufgehalten und wird erst gegen Mittag hier eintreffen. Inzwischen sollt ihr es
euch hier schon mal gemütlich machen.»
«Wie reizend von Lawrence!» Daphne kicherte und drückte ihrem Lover ei-
nen Kuss auf die Wange.
Der Butler brachte sich durch ein diskretes Hüsteln in Erinnerung. «Wenn ich
den Damen ihre Räume zeigen darf?»
Er knickte wieder leicht in der Mitte ein und deutete mit einer Handbewegung
zu der geschwungenen Treppe. Auf dem ersten Absatz erwartete sie ein Hausmäd-
chen, das die weitere Führung übernahm. Mit kurzen Schritten trippelte es vor
Carry her einen langen Gang hinunter, von dem verwirrend viele Türen abgin-
gen.
Endlich blieb es vor einer dieser Türen stehen, stieß sie auf und forderte Carry
mit einem angedeuteten Knicks zum Eintreten auf.
Diese sah sich zunächst hilflos nach Daphne um, aber die Freundin entschweb-
te bereits mit Vincent händchenhaltend im gegenüberliegenden Zimmer, sodass
Carry nichts anderes übrig blieb, als an dem lächelnden Hausmädchen vorbei in
den Raum zu treten. Schaudernd blickte sie sich um.
Es war ein großes Zimmer, geradezu saalartig im Gegensatz zu der Wohnung,
die Carry sich mit Daphne teilte, ausgestattet mit einem riesigen Himmelbett, das,
umwölkt von rosa Tüllseide, in der Mitte des Zimmers prangte.
Das Bett war so gigantisch, dass eine sechsköpfige Familie bequem darin Platz
gefunden hätte. Die übrigen Möbel wirkten daneben noch zierlicher, als sie es oh-
nehin schon waren.
Außer diesem rosaroten Monstrum gab es noch zwei rosa Flauschsessel, einen
zierlichen Beistelltisch, der unter einem prahlerisch üppigen Rosenstrauß zusam-
menzubrechen drohte, und einen Sekretär, alles in unschuldigem Weiß mit feinen
Goldverzierungen. Der Teppichboden war pinkfarben, passend zu den hauchzar-
ten Gardinen und der Tagesdecke, die Carry an Zuckerwatte erinnerte.
Ich bin in einer Bonbonniere gelandet, dachte sie entsetzt.
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