Janusliebe
übertrieben wie Carrys Bonbonschachtel, in der sie wohnen musste und deren
Ausstattung die Weiblichkeit betonen sollte.
Die dunklen Möbel hoben sich dezent von der cremefarbenen Wandbespan-
nung und dem weichen Teppichboden ab, der eine Nuance dunkler gehalten war.
Auch die wenigen Accessoires, die den Raum schmückten, belasteten das Auge des
Betrachters nicht durch Überladung oder schrille Farben.
Erleichtert wagte Carry es nun, näher zu kommen. Lawrence lag zu ihrem Er-
staunen auf einer mit Wildleder bezogenen Couch am Fenster, bekleidet mit einem
blauen Bademantel, den er allerdings züchtig bis zum Hals geschlossen hielt.
Sein Gesicht wirkte fahl und übernächtigt. Nur in den meerblauen Augen
leuchtete ein schwacher Glanz, der sich bei Carrys Anblick verstärkte.
«Tut mir leid», entschuldigte er sich und winkte Carry zur Begrüßung zu. Es
sah allerdings eher nach dem letzten Gruß eines Todgeweihten aus. «Ich hatte mir
unser Wochenende etwas lebhafter vorgestellt. Aber die Probleme, derentwegen
ich überstürzt nach L. A. fliegen musste, machen uns leider vorerst einen Strich
durch die Rechnung.»
Er schloss ermattet die Augen. «Es war grauenhaft. Ich habe die ganze Nacht
mit zwei Ingenieuren an einer Anlage getüftelt, um den Fehler herauszufinden.
Weißt du, wann wir fertig geworden sind?»
Carry schüttelte den Kopf, was Lawrence allerdings nicht sehen konnte, weil
er immer noch die Augen geschlossen hielt. »Heute Morgen um sechs!« Wieder
ein schmerzliches Stöhnen. »Um sechs! Kannst du dir das vorstellen?«
Er öffnete die Augen und sah Carry waidwund an, die ihre Heiterkeit über sei-
nen desolaten Zustand nur mühsam hinter einem starren Lächeln verbarg.Wie ein
angeschossener Bär lag er vor ihr, müde und unbrauchbar für ihre Pläne. Aber dann
regte sich doch etwas Mitleid in ihrem Herzen. Immerhin wirkte Lawrence so weni-
ger einschüchternd, sondern richtig knuffig in seinem blauen Flauschmantel. Hatte
ein hart arbeitender Mensch nicht auch das Recht auf ein paar Verwöhneinheiten?
Carrys Lächeln wurde sanfter. Vorsichtig ließ sie sich auf der Kante des Sofas
nieder und legte Lawrence mitfühlend die Hand an die Wange.
»Pass auf, ich bin stachelig«, warnte er, aber es klang eher wie: Ach, tut das
gut. Er drehte den Kopf ein wenig und schmiegte sein Gesicht aufseufzend in ihre
Handfläche.
»Weißt du, was das Schlimmste war?», fragte er mit schläfriger Stimme. «Die
anschließende Sauferei! Die Inhaber wollten die erfolgreiche Reparatur unbedingt
feiern.»
«Du Armer.» Jetzt tat er Carry wirklich leid. Sie wusste, dass er im Allgemeinen
nichts Alkoholisches zu sich nahm. Nun verstand sie seinen Zustand. Lawrence
war nicht nur schrecklich müde, er hatte auch einen mordsmäßigen Kater!
«Du Armer», sagte sie noch einmal und streichelte seine stachelige Wange.
«Kann ich irgendetwas für dich tun?»
Lawrence schüttelte sein erschöpftes Haupt. Aber Carry war wild entschlos-
sen, ihm etwas Gutes zu tun. So, wie er da lag, schwach und entkräftet, hätte sie
ihn am liebsten in die Arme geschlossen und getröstet. Aber Lawrence benötigte
dringend tätiger Hilfe.
«Weißt du, ich habe zehn Jahre mit meinem Vater zusammengelebt», sag-
te Carry und lächelte Lawrence ermutigend zu. «Der hat den irischen Whisky
manchmal zu sehr geliebt. Wenn er nach solch einer Liebesnacht nach Hause
kam, habe ich ihn zunächst in die Badewanne gesteckt.»
Sie erhob sich und sah entschlossen auf Lawrence herab, der auf seiner Couch
still vor sich hin litt. «Meinem Vater hat das immer geholfen, und dasselbe werde
ich jetzt auch mit dir versuchen. Wo ist das Bad?»
Lawrence deutete mit letzter Kraft auf eine Tür, die von einem Bücherregal
umrahmt wurde.
«Gut.» Carry wandte sich um und ging darauf zu. «Ich lasse dir jetzt ein schö-
nes, heißes Bad ein und dann besorge ich dir einen Kaffee. Du wirst sehen, danach
geht es dir gleich besser.»
«Aber vergiss den Badeschaum nicht», rief Lawrence ihr mit kränklicher Stim-
me hinterher.
«Nein.» Carry lachte vergnügt. «Und wenn du mir sagst, wo dein Gummient-
chen steht, lege ich dir auch das ins Wasser.»
«Du nimmst mich nicht ernst», nörgelte Lawrence, aber das hörte Carry nicht
mehr. Sie befand sich bereits im Bad, das vorwiegend in sonnengelben Tönen ge-
halten war. Die Ausstattung wirkte sehr luxuriös. Eine Wand war ausschließlich
von Spiegelkacheln bedeckt, vor denen die
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