Janusliebe
Sache», gab sie zu. «Und außerdem eine rie-
sige Gemeinheit. Ich hoffe, dass das arme Tierchen wenigstens eines natürlichen
Todes gestorben ist.»
Robby öffnete den Mund zu einer heftigen Entgegnung, doch dann presste
er die Lippen fest aufeinander, drehte sich um und eilte Carry hinterher, die im
Waschraum versuchte, sich das Gefühl des halb verwesten Katzenbabykörpers
von den Händen zu waschen, den ihre Finger berührt hatten. Sie schrubbte und
rieb, aber irgendwie glaubte sie, immer noch dieses weiche, modrige Etwas zu spü-
ren. Den Gestank, der ihr beim Öffnen des Umschlags in die Nase gestiegen war,
wurde sie erst recht nicht los.
«Ich werde nie wieder etwas essen können», vermutete sie, als Robby ihr
schließlich Bürste und Seife aus den Händen nahm. Die Haut an ihren Händen
war bereits ganz rot.
«Oh doch, das wirst du», versprach er ihr tröstend. «Komm, lass uns an die
frische Luft gehen.»
Ihren Widerstand ignorierend, zog er sie aus dem Waschraum, stopfte sie in
den Lift und fuhr mit ihr ins Erdgeschoss hinunter. Sein Wagen stand auf dem
weitläufigen Parkplatz hinter dem modernen Bürohochhaus. Ohne Kommentar
setzte Robby seine Lieblingskollegin auf den Beifahrersitz, rutschte hinter das
Steuer und startete den Motor.
Er fuhr mit ihr in den Washington Park. Beim Anblick der Schwäne und Enten,
die sich auf dem Smith Lake tummelten und geschickt den bunten Booten auswi-
chen, die von schwitzenden Familienvätern im Zickzackkurs über den See gelenkt
wurden, begann Carry sich tatsächlich von ihrem Schock zu erholen.
Sie nahmen auf einer Bank Platz und sahen einer Mamiente zu, die stolz ihre
Jungen am Ufer spazieren führte. Als der Vogel das Paar entdeckte, änderte er die
Richtung und kam schnurstracks mit den Jungen im Schlepptau auf die beiden
zugewatschelt.
«Die Enten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren», murmelte Carry,
während sie zusah, wie Robby sein Frühstückssandwich an die gierigen Tiere ver-
fütterte. «Charakter total verdorben.»
Robby lachte.
«Na ja, sie haben eben gelernt, dass Menschen Futter haben, und das fordern
sie ein.»
Carry schwieg. Sie schloss die Augen und hielt ihr Gesicht der Sonne entgegen,
die an diesem Morgen bereits herrlich warm vom Himmel schien.
«Hättest du nicht Lust, am Sonnabend mit mir auszugehen?» Aus Robbys Stim-
me hörte man deutlich die Unsicherheit, die er bei dieser Frage empfand. Er hatte
dreimal Anlauf nehmen müssen, um sie überhaupt stellen zu können. «Wir könn-
ten essen gehen und vielleicht anschließend noch in eine Show oder Disco?»
Essen? Bei diesem Gedanken fiel Carry sofort das tote Katzenbaby ein, das in
dem Umschlag gesteckt hatte. Vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, die Po-
lizei zu verständigen? Diese dauernden Anrufe, der Beinaheunfall und nun diese
ekelhafte Postsendung – das waren zu viele Zufälle auf einmal!
Irgendjemand war hinter ihr her. Aber wer? Und warum?
«Carry?» Robbys schüchternes Stimmchen weckte Caroline aus ihrer Grübe-
lei. Sie blickte auf und schenkte ihm ein Lächeln.
«Oh, verzeih!» Robby war zwar absolut nicht ihr Typ, aber er hatte es nicht
verdient, dass sie ihn ständig abwies! Nicht, nachdem er ihr heute so zur Seite ge-
standen hatte und immer noch stand.
«Ja, ja, natürlich würde ich gerne mit dir ausgehen.» Sie lachte leise. «Falls ich
bis zum Samstag wieder einen Bissen runterkriege. Sonst streichen wir das Essen
und gehen gleich in irgendeinen Amüsiertempel.»
«Das mit dem Essen wird schon wieder», tröstete Robby sie zuversichtlich. Die
Freude über ihre Zusage stand ihm dabei ins Gesicht geschrieben. «Aber du soll-
test dir vielleicht mal ein paar Tage frei nehmen. Ich habe das Gefühl, dass du in
letzter Zeit ziemlich durch den Wind bist.»
Sie sah ihn erstaunt an. Machte sie wirklich so einen abgezockten Eindruck,
dass es jedem auffiel, oder übertrieb Robby?
«Ich hab’ viel um die Ohren», wich sie unsicher geworden aus.
«Ja, aber früher hätten dich solche Geschichten wie eben nicht derartig aus der
Fassung gebracht.»
Es war eine nüchterne Feststellung, die leider genau den Nagel auf den Kopf
traf. Normalerweise war Carry nämlich echt hart im Nehmen. Sie hatte in ihrem
Beruf schon zu viele schreckliche Dinge gesehen, um sich noch über einen verwes-
ten Katzenkadaver aufregen zu können. Ihr hysterischer Anfall von eben passte
deshalb so ganz und gar nicht zu ihr.
Die sich häufenden
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