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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Daher ist eine Sitzung fruchtlos. Wenn ein Herrscher weiß, was er will, ist sie höchstens ein Ritual. Wird man jedoch nicht dazu geladen, ist man in den Augen der Kollegen und Vorgesetzten so gut wie gestorben. Jahre später werden die Teilnehmer erzählen, dass sie dort waren, und so würde auch ich meinen Enkeln erzählen, wie der einäugige Verteidigungsminister dem Mufti von Jerusalem den Tempelberg übergab.
    Ich betrachtete die Anwesenden: Wer würde es wagen, in diesem Forum zu sprechen? Der charmante, ungeduldige Bürgermeister mit der spitzen Zunge könnte einem das Wort abschneiden, und man stünde gewissermaßen mit vollen Hosen da. Es war schwierig zu wissen, wann dieser viel beschäftigte Mann explodieren würde. Im Nu konnte das bezaubernde Lächeln von seinem Gesicht verschwinden und einem finster drohenden Ausdruck weichen. Es hieß, er habe im Zorn schon Telefonapparate zertrümmert, wenn sein Gegenüber ihm eine Antwort schuldig blieb. Alle wussten, dass er es eilig hatte, Jerusalem aufzubauen und massiv neue Tatsachen zu schaffen.
    Der Bürgermeister lehnte bequem in seinem Sessel und saugte an einer dicken Zigarre, eine seiner Schwächen. Haramati erhielt das Wort und ereiferte sich wutentbrannt über die Erlaubnis für die Araber Israels und der »befreiten« Gebiete, am Tempelberg zu beten. Mit keinem einzigen Wort erwähnte er die Übergabe des Tempelbergs an sich an den Mufti, die in seinen Augen ein
absoluter Jammer war. Vielleicht fürchtete er, in seiner Kritik an seinen Vorgesetzten zu weit zu gehen.
    »Nuri, wie viele Gläubige werden Ihrer Meinung nach kommen?«, fragte der Bürgermeister.
    »Massen«, antwortete ich, »sie werden in die Moscheen rennen, so wie wir zur Klagemauer gerannt sind. Man muss für ein Leitsystem sorgen, das die Besucherströme regelt, für Kommunikation, die die Sache der Welt und den arabischen Ländern zur Kenntnis bringt, und die Häupter der arabischen Autoritäten an dem Unternehmen beteiligen, damit sie sich eingebunden fühlen.«
    »Warum muss man jetzt dieses Risiko eingehen?«, argumentierte der Polizeikommandeur. »Das Niemandsland zwischen den beiden Teilen der Stadt ist doch vollkommen vermint, lebensgefährlich.«
    »Sicherheitsprobleme wird es auch in einem Monat geben«, entgegnete ich. Klipp und klar. Ich liebte es, extrem und schneidend zu sein in meinem Alter damals.
    Der Bürgermeister rief den Verteidigungsminister an und beschwor ihn, das Unternehmen zu verschieben, bis die Minen geräumt seien. Sein Gesichtsausdruck und die Art, wie er den Hörer hinknallte, ließen keinen Raum für Zweifel. »Er ist nicht von seiner Meinung abzubringen«, sagte er.
     
    Wir kehrten zurück, Haramati und ich, durch das Labyrinth der Gassen, in denen ich mich schwer zurechtfand, während er sich so sicher in ihnen bewegte, als erkenne er sie am Geruch.
    Ghadirs Anliegen tauchte am Donnerstag wieder auf, auf der wöchentlichen Stabssitzung. Als wir den Sitzungsraum betraten, sagte Haramati zu mir: »Ich habe Ihr Problem nicht vergessen, Ghadir al-Zadek! Was für ein schöner Name, ein seltener Name, den man nicht vergisst. Geben Sie mir etwas Zeit, ich warte auf Unterlagen. Sie war in meinem Büro, und meine Sekretärin ist mit ihr ins Gespräch gekommen, eine schöne
junge Frau, eine Schönheit«, zwinkerte er mir zu und setzte sich neben mich.
    Schamluk vom Sicherheitsdienst gesellte sich zu uns. Er wirkte immer so, als betrachtete er sich als einen außerordentlich attraktiven Mann, der sich im Bohemestil kleidete. Bei Sitzungen pflegte er in kompetentem, markigem Ton von den laufenden Sicherheitsbelangen und feindlicher Sabotageaktivität (als gäbe es freundliche Sabotage) zu berichten, die er als FSA bezeichnete. Er drängte uns ständig, Informationen über alles und jeden zu sammeln: Besitz, Familienbeziehungen, das Verhältnis zwischen den Führungspersönlichkeiten und den ethnischen und religiösen Gruppen, und empfahl, nach persönlichen Schwachpunkten wie intime Verbindungen, Neigungen und Hobbys zu suchen. Er hielt sich für einen »Araber«, einen Orientalisten, der die Seele der Araber verstand und seine Worte mit arabischen Ausdrücken und abgedroschenen populären Sprüchen zu spicken pflegte.
    »Sahten uhana, zum Wohl und Genuss«, wandte sich Schamluk mit listigem Lächeln an mich, »ich hab dich mit Jasmin aus der Hilmi-Familie flüstern sehen, was für ein Prachtweib. Sag mal, kann man die anwerben?«
    Ich erschrak. »Lass sie in

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