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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Altstadt anschließen. Ich gehe zur Churba-Synagoge. Der Rat der sefardischen Gemeinde hat mich gebeten zu sehen, ob und wie man sie wiederherstellen könnte.«
    »Warum nicht«, antwortete ich, »ich sage nur meiner Sekretärin Bescheid, dass ich später komme.«
    Als wir hinausgingen, fielen die Leute mit Fragen, Bitten und Flehen über ihn her, und er antwortete ihnen freundlich, mit wohlklingenden Worten, so wie er es bei mir getan hatte, doch als wir in ein Auto einstiegen, knurrte er: »Sie stürzen sich auf mich und machen mir das Leben schwer, wer sind sie denn überhaupt?« Seine Worte passten nicht zu der demonstrativen Liebenswürdigkeit, die er zuvor an den Tag gelegt hatte, doch ich schwieg.
     
    Das Taxi fuhr durch das Jaffator in die Altstadt, durchquerte das armenische Viertel und hielt auf seine Bitte hin am Ziontor. Von dort gingen wir zu Fuß ins jüdische Viertel weiter. Bauarbeiten waren im Gang, und eine Staubwolke wälzte sich durch die Gassen, verschleierte und blendete den Blick. Ich bereute bereits, dass ich mitgekommen war. Auf dem Weg erzählte mir Haramati die Geschichte der Rabbi-Jehuda-ha-Chassid-Ruine, von ihren Anfängen im 15. Jahrhundert und Rabbi Jehudas Einwanderung nach Palästina im Jahr 1699 bis in unsere Tage.
    »Sie erweisen sich als beeindruckender Experte«, sagte ich.
    »Vergessen Sie nicht, ich bin im jüdischen Viertel geboren und aufgewachsen«, erklärte er. Dann fuhr er fort: »Im Befreiungskrieg sprengte die Jordanische Legion die Ruine. Das passt zu ihnen. Wird nicht schon in der Bibel von Ismael gesagt: ›Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider jedermann‹? Meinen Sie, sie hätten sich geändert?«
    Seine Frage blieb zwischen den Mauern in der Luft hängen.
    »Denken Sie daran, was Ihnen Haramati nach sieben Generationen in der Altstadt sagt: Unsere Vettern, die Ismaeliten, haben unser Volk ermordet, vertrieben und gefangen genommen und die Orte, die sie eroberten, ausradiert, sie haben weder Synagogen noch Friedhöfe und Mikwen verschont und haben nicht einen Juden für ihre Heilung übrig gelassen. Auch ihre Stunde wird schlagen.«
    Er blickte sich um, und sein Gesicht schien einzufallen. »An diesem Ort haben sie meinen Vater ermordet. Jedes Mal, wenn ich hierher komme, bricht mir erneut das Herz. Sie haben alles zerstört. Auch die Istanbuler Synagoge haben sie in einen Stall verwandelt, einen Pferdestall, Allmächtiger. Und nach allem, was sie getan haben, übergibt unser Verteidigungsminister - vor meinen Augen! - dem Mufti die Schlüssel des Tempelbergs! Wozu? Damit sie weiter gegen uns hetzen und uns dort keinen Einlass gewähren? Wehe den Augen, die das mit ansehen müssen. An dem Tag, den Dajan mit dem Mufti bestimmt hatte, konnte ich
nicht arbeiten, ich konnte diesen Bösewichtern nicht weiter dienen, die uns hassen und schmähen. Wovor hatte Dajan Angst? Wir haben die Stätte doch mit dem Blut unserer Söhne erobert! Seit jenem verfluchten Tag kann ich nachts kaum mehr schlafen, mein Herz sagt mir, das ist das Ende, dass wir verloren haben, obwohl wir gesiegt haben«, sagte Haramati und trat an einen Getränkestand, leerte mit einem Zug eine Flasche Soda und zündete sich eine Zigarette an.
     
    Der Gemütsaufruhr, der Haramati ergriffen hatte, war mir nicht fremd. Auch in mir hatte jener Tag seine Spuren hinterlassen, an dem der Verteidigungsminister die schicksalsträchtige Exkursion auf den Tempelberg, kurz nach der Befreiung der Klagemauer, durchgeführt hatte.
    »Colonel« Amitai und ich holperten damals im Militärjeep Dajans Wagen hinterher, auf dem Weg zu dem Treffen mit dem Mufti von Jerusalem, Scheich Hassan Tahbub. Alles geschah sehr schnell. Dajan stieg aus dem Auto, umringt von Offizieren, Beratern, Journalisten und Fotografen, als sei er der Geist Gottes, in dessen Dunstkreis alle gelangen wollten. Er versuchte, dem engen Ring seines Gefolges zu entkommen und mit der Bevölkerung zu reden, doch man ließ ihn nicht. Ich bedauerte, dass ich nun zum ersten Mal in meinem Leben auf den Tempelberg kam und nichts sehen konnte.
    Plötzlich befanden Amitai und ich uns im Zentrum des inneren, wichtigen Kreises. Zu unserer Überraschung ließ sich der Minister im Schneidersitz auf dem Boden nieder und der Mufti von Jerusalem neben ihm. Wir taten es ihnen nach. Der Minister eröffnete mit Höflichkeitsfloskeln auf Arabisch und wechselte dann zu Hebräisch, und Amitai diente den beiden Männern als Dolmetscher.
    Eine quälende Befürchtung

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