Jasmin - Roman
Männer, die dort waren, stehen im Kreis und halten einander fest, machen die Augen zu, singen und tanzen, springen wie die Ziegenböcke in meiner Herde«, sie lächelte kurz, »und plötzlich fährt der Wahnsinn in sie, und sie fangen an, stark zu schwanken, lassen den Kopf kreisen und schreien ›Allah, Allah, Allah‹, der Mund ist voller Schaum …«
»Allahu akbar, Allahu akbar«, brach der vorabendliche Ruf des Muezzins ins Zimmer, und Ghadir verstummte erschreckt. Auch für mich hörte sich der Ruf des Muezzins diesmal wie ein vorwurfsvoll drohender Schrei aus einer anderen Welt an, wie ein Steinhagel, der vom Himmel auf die widerspenstigen Söhne niederprasselt.
»Mach dir keine Sorgen, ich rede mit Haramati«, sagte ich, als ich sie zur Tür begleitete.
Am nächsten Tag fuhr ich zu Haramatis Büro in der Nablusstraße. Ich kannte ihn von gemeinsamen Sitzungen, bei denen er bei mir den starken Eindruck hinterlassen hatte, ein Nervenbündel zu sein. Er war Kettenraucher, hielt die Zigarette zwischen dem nikotingelben Ringfinger und dem kleinen Finger und sog daran, bis die Glut das Fleisch berührte, es wirklich versengte. Viele Jahre hatte er im Einwohnermeldeamt gearbeitet, und seine gegenwärtige Position hatte er erhalten, weil er in der Altstadt geboren worden war und Arabisch sprach. So war er mit einem
Schlag von einem grauen Beamten zu einem mächtigen Mann geworden, der über Schicksale entschied.
Der Platz vor seinem Büro, der mir von meinen Runden her wohlbekannt war, brodelte wie immer. Dutzende Menschen belagerten ihn, drängten sich am Eingang, standen stundenlang in endloser Schlange, in sich versunken und bang wie vor einem Operationssaal: Wie würden sie von dem Mann, der über dieses Büro herrschte, entlassen werden, mit einer Basis zum Leben oder ohne? Würde er ihre Not lindern oder sie vernichten?
Die tägliche Anwesenheit so vieler Leute auf diesem Platz hatte den Ort in einen Markt verwandelt, auf dem sich die Stimmen von allerlei Straßenhändlern zu einem Hintergrundkonzert vereinten: solche, die Sesamringe mit Za’atar verkauften, mit Eiswürfeln gekühlte Tamarinde, frische Pitafladen und süße Küchlein, wie es auf der arabischen Straße seit jeher verbreitet ist, und auch einer aus dieser Zeit, ein Knabe mit Kraushaar, der mit israelischem Eis am Stiel herumlief und mit dünner, aber wohlklingender Stimme unermüdlich rief: »Eis am Stiel, Eis am Stiel …« Nur mit Mühe drängte ich mich zwischen ihnen durch.
»Es gibt keine Nummern mehr«, sagte der Ordner am Eingang in scharfem Ton.
»Ich möchte zu Herrn Haramati«, erwiderte ich und nannte meinen Namen und meine Position.
Zu meiner Überraschung empfing mich Haramati sehr herzlich, wie einen Freund aus alten Tagen, und bemühte sich wortreich herauszustreichen, dass ihm die Not der Bevölkerung zu Herzen ging:
»Womit kann ich dienen, Herr Amari? Willkommen, willkommen! Haben Sie gesehen, was draußen los ist? Furchtbar! Das Gedränge, alles überfüllt, und die wartenden Leute. So viele brauchen Hilfe, dass ich das erlebe, das Herz tut einem weh. Wir tun alles, was wir können. Dafür sind wir ja da, nicht wahr, Herr Amari? Aber wie viel kann man schon helfen, und was für Probleme,
der Kopf platzt einem«, sagte er und zündete sich eine Zigarette an.
»Ich weiß, dass Sie an einer schwierigen Stelle sitzen, die viel verlangt, und ich bin nur gekommen, um von Ihrer Erfahrung zu lernen«, erwiderte ich, um ihn mir gewogen zu machen, wobei ich mich fühlte, als seien wir zwei Einheimische, die sich blumenreiche Wortgefechte lieferten.
»Trinken Sie Kaffee?«
»Vielen Dank. Sehen Sie, ich bin in Zusammenhang mit einem bestimmten Fall hier, und ich wollte Sie bitten zu überprüfen, ob man da helfen kann«, sagte ich und legte die Liste mit den Namen und Daten von Ghadir und ihrem Mann auf den Tisch.
»Sicher, aber sicher, wie sagt man, und wäre es die Hälfte meines Königreichs …! Wenn Sie sich persönlich herbemüht haben, ist das ein Zeichen, dass es wichtig ist«, erklärte er und rief nach seiner Sekretärin, die hereinkam, um Anweisungen entgegenzunehmen. Er warf einen Blick auf mein Papier. »Notieren Sie die Personalien, überprüfen Sie den Akt, und informieren Sie mich, wie der Stand der Dinge ist, das ist ein Fall von Herrn Amari, haben Sie verstanden?«
Als ich ihm die Hand zum Abschied reichte, schlug er vor: »Vielleicht möchten Sie sich mir zu einem Besuch des jüdischen Viertels in der
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