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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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zerstreut und fing wieder mit seinem Klagelied an: »Al-Quds asch-Scharif ist verloren gegangen, und die Welt ist in Winterschlaf gesunken.«
    »Herr Senator, es ist Zeit, den Dialog fortzusetzen, den König Faisal und Chaim Weizmann begonnen haben, Allah sei ihrer Seele gnädig.«
    »Weizmann hat uns verachtet, er dachte, wir seien Barbaren, unsere Kultur minderwertig. Beide waren Agenten des Westens, so wie die Ideen des Zionismus europäisch, dieser Region und unserer Kultur fremd sind. Daher wird euer Ende die Niederlage sein.«
    »Wir sind fremd? Aber Herr Senator, wir sind von hier. Halb Israel besteht aus Arabern, aus Asien und dem Maghreb, arabischsprachig und in dieser Kultur erzogen. Es ist Zeit, eine neue Seite aufzuschlagen. Wir bieten euch gute Nachbarschaft an, wir werben um euch wie ein Vetter um seine Base. Warum antwortet ihr nicht?«
    »Weil wir genau verstehen, was der Zionismus will«, sagte der Senator.
    »Auch wir verstehen genau, was ihr wollt«, gab mein Vater zurück.

     
    Die Unterhaltung zwischen ihnen, so voller Stacheln sie auch war, faszinierte mich. Ich lauschte den beiden alten Männern aufmerksam, nicht umsonst achtete diese Gesellschaft das Alter.
    »Mein Sohn«, sagte mein Vater, nachdem der Senator gegangen war, »allein für dieses Gespräch hat es sich schon gelohnt. Als Gleichberechtigter einem Senator Seiner Majestät, des Königs Hussein ben Talal ben Abdallah al-Haschemi, gegenüberzustehen und wie ein Hausherr zu diskutieren, dafür hat sich alles gelohnt, um diesen Augenblick zu erreichen.«

29.
    VÄTER UND SÖHNE IN HEBRON
    Endlich erhielt Kabi einen kurzen Urlaub und kam zu Ehren von Onkel Chizkels Freilassung nach Israel. Nun konnte das Ereignis in vollständiger Familienbesetzung, die wir seit langem nicht mehr zustande gebracht hatten, gefeiert werden. Moschi, Marie und die Kinder kamen aus dem Moschav und lasen unterwegs Ephraim im Kibbuz auf. Auch Sandra kam, und jedes Mal, wenn ich sie ansah, versetzte es mir einen Stich, dass Jasmin nicht bei uns war.
    Meine Mutter rackerte sich eine Woche lang, mit der Energie von zehn Pferden, mit Einkäufen und Kochen für zehn Personen ab und bereitete die allerbesten Lieblingsspeisen für den Schabbat vor, die den Geschmack von Kindheit auferstehen ließen. Eine solch gnädige Stunde, dass wir alle zusammen waren und auch Chizkel dabei war, hatte sie seit langem nicht mehr erlebt.
    Mein Vater wirkte an diesem Schabbat wie ein liebenswürdiger, vor Behagen strahlender Großvater im Kreis seiner Familie. Keine Spur mehr von dem verschlossenen Mann, verloren in seiner Verzweiflung, der vor unseren Augen mit seiner Ankunft in Israel vor achtzehn Jahren zerbrochen war. Er interessierte sich wohlwollend für jeden Einzelnen, plauderte ein wenig mit Sandra, der von Kabi aus irgendeinem Grund keine Aufmerksamkeit zuteil wurde, und spielte sogar auf der al-Ud, der arabischen Laute, die ich ihm unlängst in der Altstadt gekauft hatte. Die Erinnerung an die Klänge lebte noch in seinen Fingern, und mit den arabischen Liedern, die er liebte, wurde er in die wonnigen Gefilde seiner Jugend davongetragen. Dazu gab er an jenem Familienschabbat eine besondere Zugabe, das Lied »Ein Karren mit Pferd«, von
dem ich nicht weiß, wo er es aufgeschnappt hatte. »Damit sich die Kleinen freuen«, sagte er halb verlegen, halb beglückt. Wenn mein Vater dieses Lied auf der Laute spielte, waren die Welt und mein Vater nicht mehr dieselben. Jahrelang hatte ich den Wandel beklagt, der ihn befallen hatte, als es ihm nicht gelang, in Israel Wurzeln zu schlagen, und er mit seinen Träumen hilflos scheiterte. Wie hatte ich übersehen können, dass er sich erholt, seinen Seelenfrieden gefunden hatte, auch ohne seine Vision vom Reisanbau in Israel zu verwirklichen.
    Mehr noch als dieses Lied, das mein Vater ihnen zu Ehren sang, belustigte die Kleinen, die im Land geboren waren und nur Hebräisch konnten, die Unterhaltung zwischen meinen Eltern, die seit ihrer Einwanderung nach Israel untereinander etwas sprachen, das sich als »Mame-loschn«, eine Art Muttersprache, bezeichnen ließ - ein irakisch-jüdisches Arabisch, das hier und da mit einem hebräischen Wort gewürzt war, wie ein neues Esperanto.
    Kabi war schweigsamer denn je, in sich gekehrt und angespannt. Er beobachtete alle und besonders Chizkel, den er bei seinem Eintreten lange umarmt hatte, und sprach kaum etwas an diesem ganzen Schabbat. Auch ich war eher still, obgleich ich mich nicht in

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