Jasmin - Roman
statt der Nachrichten ein Violinkonzert von Mendelssohn an. Nach Jahren, in denen ich mir beigebracht hatte, klassische Musik zu hören, fing ich nun an, diese Klänge zu genießen. Allmählich hatte ich für mich Zeiten festgelegt: am Morgen klassische Musik und am Abend arabische. Wie ein Pascha, der in zwei Frauen verliebt ist und sich jede in einem eigenen Palast hält, wachte ich über eine sorgfältige Trennung zwischen den beiden.
Es war Zeit, nach Katamon aufzubrechen. Heute würde ich meinen Vater zu einem Besuch in meinem Büro in Scheich Dscharrah mitnehmen. Wäre Chizkel dagewesen, hätte ich auch ihn eingeladen, doch Ephraims Kibbuz gefiel ihm, und er wollte noch eine Woche dortbleiben.
Ich betrat Mamas Küche, um zu frühstücken. In einer Ecke der Decke zeichnete sich ein schwarzer Fleck ab, der hässlich ausblühte. Ich musste die Küche weißeln, bevor Kabi auf Urlaub kam. Nach dem Krieg, als er wieder genesen war, hatte er zu mir gesagt, dass wir unsere Eltern aus der Siedlung herausholen, ihnen eine neue Wohnung kaufen müssten. Meinen Bruder Moschi ließ er außen vor, »weil er Familienvater ist«. Es ärgerte mich, dass er mich wie in Bagdad behandelte, wo der älteste Bruder
der Oberbefehlshaber war. Und noch mehr war ich auf mich selber wütend, dass ich ihm weiterhin gehorchte.
Meine Mutter brühte mir einen Numi-Basra-Tee auf und wunderte sich zum wer-weiß-wievielten Mal, wie ich den Morgen mit einem so sauren Getränk beginnen konnte, süßte ihn zu stark und verdarb damit den Geschmack. Dann kochte sie mir zwei weiche Eier, in die ich mit Genuss Brotstückchen tunkte. Mir gelang es nur ganz selten, weiche Eier so hinzubekommen wie meine Mutter. Am Schluss servierte sie mir Halvawürfelchen von Abu Salman. Dieser Abu Salman hatte einen kleinen Stand in der irakischen Abteilung des Machane-Jehuda-Markts, und das Halva, das er zubereitete, verkaufte er nur auf Bestellung, zweimal in der Woche, wie ein Nobelkonditor.
Mein Vater war fertig zum Ausgehen. Seine glatt rasierten Wangen verströmten einen Geruch nach Zitronenaftershave, und er sah feierlich erwartungsvoll aus. Die Spuren seines Herzanfalls waren nahezu getilgt. Ich war aufgeregt, als würde der Minister in eigener Person meinem Büro einen Besuch abstatten, und hoffte, es würde ihm gefallen. Unterwegs unterhielten wir uns über dies und das, und ich ertappte mich dabei, dass ich meinem Vater mein Herz ausschüttete über den Senator Antoine, der sich in der ausländischen Presse in aller Schärfe gegen uns äußerte und auf meine wiederholten Bitten, mit sich reden zu lassen, nicht einging.
»Mein Sohn, jedes Schlüsselloch hat seinen Schlüssel, und ich vertraue darauf, dass du ihn finden wirst.«
Als wir Scheich Dscharrah erreichten, parkte ich wie gewöhnlich am Eingang der kleinen Gasse, an deren Ende mein Büro lag, und wir legten den kurzen Weg dorthin zu Fuß zurück. Und da stießen wir auf Senator Antoine, der das Tor seiner Villa öffnete, die neben meinem Büro lag.
»Sabah al-cheir«, grüßte ich ihn und fügte diesmal hinzu: »Mein Name ist Nuri …«
»Ja, ich weiß, wer Sie sind. Und wer ist der ehrenwerte Herr?«, antwortete er zum allerersten Mal auf meinen Gruß, wobei er meinen Vater ansah.
»Mein Vater. Vielleicht erweisen Sie uns die Ehre und besuchen uns in meinem Büro oder … vielleicht dürften wir Sie besuchen, wenn Sie gestatten, schließlich sind wir Nachbarn«, bat ich.
Er blickte uns an, überrascht und verlegen. »Ich komme ins Büro …«, sagte er halbherzig, »wenn ich meine Blumen geholt habe.«
»Tausendmal Marhaba, Sie sind uns willkommen«, erwiderte ich, ergriff den Arm meines Vaters und zog ihn weiter.
»Mein Sohn, sind dir seine Augen aufgefallen? Die Hände?«, fragte mein Vater. »Der Araber ist höflich, hat gute Manieren. Wenn du ihn bittest, bei ihm eintreten zu dürfen, ist das, als würdest du um Zuflucht bitten, deine Bitte macht ihm Ehre. Nach den Gepflogenheiten ihrer Gastfreundschaft hätte er dich mit Ahlan wa sahlan einladen müssen.«
Alisa empfing meinen Vater freundlich. Ich sagte ihr, dass der Senator gleich kommen werde, und bat sie, ihn würdig zu empfangen und die Tür des Büros offen zu lassen, bis er eintreffe.
Wir betraten mein Zimmer. Mein Vater blickte sich um, sein Blick verweilte auf jeder Einzelheit, und dann sagte er mit unterdrückter Freude: »Mein Sohn, das war das Büro von Schukeiri, dem Chef der Fatah? Gelobt sei der Name des Herrn.«
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