Jasmin - Roman
darauf, bis sie eine scharfe, steife Falte eingeprägt hatte. Auch bei mir tat sie das, fuhr fort, mir Hemden und Hosen zu waschen und bügeln. Als ich sie einmal in die Wäscherei brachte, war sie beleidigt: »Bin ich dir nicht mehr gut genug?«
Chizkel kehrte von dem Treffen mit dem Direktor des Senders niedergeschlagen zurück: »Er hat mir eine vorübergehende Arbeit als Nachtredakteur angeboten.«
»Fang an, mein Bruder, Gott ist großzügig«, riet ihm mein Vater, der die Enttäuschung in seinen Augen las.
Die Arbeit als Nachtredakteur tat ihm gut. Sie zwang ihn, die Zeitungen zu studieren, den Radiostationen der arabischen Länder zu lauschen, der Welt sein Ohr zu öffnen. Seine journalistische Neugier erwachte, und damit kam der Lese- und Schreibhunger. Meine Mutter kaufte ein altes Radio für ihn ganz allein,
damit er nicht von Vaters Gerät abhängig wäre, und die beiden tauschten Informationen aus und analysierten die Reden und politischen Schritte der Führer in der Region mit der Routiniertheit alter Wesire. Ganz allmählich tauchte er aus seinem Schneckenhaus auf, beendete den Hebräischkurs für Fortgeschrittene im Ulpan Ezion, schloss sich der Gewerkschaft und der Krankenkasse an und schrieb sich in der Bücherei des Hauses des Volkes ein. Ohne Begeisterung, doch mit Konsequenz webte er Faden um Faden die Flicken seines Alltags zusammen.
»Ich hab’s dir gesagt, er braucht nur zu arbeiten anfangen, und die Farbe wird in seine Wangen zurückkehren«, betonte meine Mutter meinem Vater gegenüber. »Und jetzt ist es Zeit, dass er sich eine Frau nimmt. Ich habe für ihn eine Witwe aus gutem Haus, hübsch, gesund. Stimmt, sie hat auch ein kleines Kind, aber das ist nicht schlimm. Was sagst du dazu?«
»Warum eine Witwe mit Kind?«
»Und was hättest du gerne, eine sechzehnjährige Jungfrau? Der Mann ist fünfzig und kein Baron Rothschild! Verstehst du das nicht?« Ihre Stimme wurde weicher. »Eine neue Frau wird ihm das Herz von Raschel reinwaschen.«
Vom Eingliederungsbüro erging eine Einladung an Chizkel zu einem Treffen der Verfolgten Zions im Beit Elischeva unter aktiver Teilnahme der Anwesenden, und er bat mich wie üblich, ihn zu begleiten. Bei der Versammlung waren hauptsächlich Einwanderer aus der Sowjetunion anwesend. Einer nach dem anderen traten sie ans Rednerpult, äußerten Erwartungen, kamen mit Forderungen, und es gab auch welche, die mit Kampf drohten. Sie wirkten energisch, bereit, von vorn anzufangen, engagiert trotz der Sprachbarrieren: Jiddisch, Russisch, Hebräisch, alles vermischte sich in ihren Reden.
»Sag etwas«, drängte ich Chizkel.
»Hier?«
»Wo sonst? Sogar die Arbeit beim Radio wird in Kürze für dich
zu Ende sein, du hast die Botschaft doch gerade gestern erhalten. Sprich«, beharrte ich.
Er setzte sich ordentlich auf seinem Stuhl zurecht und wirkte geschlagen. Hin und wieder drehte er mir mit verzweifeltem Blick den Kopf zu.
Am Ende der Versammlung blieben viele der Teilnehmer noch im Saal, setzten ihre Debatten in kleinen Gruppen und mit großem Getöse fort. Chizkel und ich bahnten uns einen Weg nach draußen, als plötzlich die mollige Angestellte aus dem Eingliederungsbüro auf uns zutrat und zu Chizkel sagte: »Der stellvertretende Minister möchte Sie sehen. Er will von Ihnen hören, was die Verfolgten Zions aus dem Irak zu sagen haben.«
Als Chizkel dem Vizeminister gegenüberstand, unterdrückte er seinen Schmerz und zog den Habitus des Journalisten, des Experten für arabische Angelegenheiten, dem des in die Ecke gedrängten Verfolgten und Exhäftlings vor. Ich signalisierte ihm, er solle über seine eigenen Probleme sprechen, doch er ignorierte mich. Er dozierte über Belange der arabischen Welt wie ein selbstbewusster Experte, ermuntert von der gespannten Aufmerksamkeit des stellvertretenden Ministers. »Die Ehre und die Schande sind die zwei Scharniere, auf denen sich das Leben der Araber bewegt«, bemühte er sich ihm zu erklären.
Ich bat um eine Minute unter vier Augen mit dem Vizeminister, stellte mich vor und erzählte ihm von Chizkels Leid, von dem zerschmetterten Knie, von der Tragödie mit Raschel, von der Wohnung und der Arbeit, die in der Luft hingen.
»Warum hat er mir das nicht erzählt?«, wunderte sich der stellvertretende Minister.
»Die Ehre! Die Schande!«, antwortete ich, und er lächelte.
Wenige Tage später rief der Vizeminister in meinen Büro an. Er lud Chizkel und mich als Vortragende über den
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