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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass er abends im Café des American Colony zu sitzen pflegte. »Überraschen Sie ihn dort«, schlug sie vor. Ich ging am Abend dorthin, wartete, doch er kam nicht. Hurensohn, er würde mir nicht mehr entwischen.
    Am nächsten Tag postierte ich mich in aller Früh am Eingang zum Innenministerium, eisern entschlossen, ihn bei seinem Eintreffen abzupassen. Obwohl es noch vor der Öffnungszeit war, erstreckte sich eine lange Schlange auf dem Platz vor dem Gebäude. Viele drängten sich um eine greise, bebrillte Frau, die an einem Klapptisch mit einer kleinen Hermes-Schreibmaschine saß. Ich fand heraus, dass sie eine aus Ägypten stammende Jüdin war, die den Hilfesuchenden beim Tippen von Anträgen und bei der Übersetzung von Dokumenten half, alles freiwillig. Die Leute wollten ihr kleine Aufmerksamkeiten erweisen, jemand brachte ihr ein Glas Tamarindensaft. Sie lehnte höflich ab und deutete auf einen kleinen Korb, in dem sich eine Thermoskanne, eine Flasche Wasser, ein sorgfältig eingewickeltes Brot und ein paar Früchte befanden. Still, ohne ein überflüssiges Wort, hörte sie eine weitere Person an, übersetzte noch ein Dokument, tippte noch einen Brief. Im Innenministerium residiert Haramati in höchsten Ehren, dachte ich, und seine Pflichten werden an einem Klapptisch draußen von einer wahren Gerechten erfüllt.
    »Oh, Herr Amari, guten Morgen, welch große Ehre, aber bitte schön«, schnarrte seine Stimme in mein Ohr, als er schließlich ankam, und er führte mich zu seinem Zimmer.
    Ich legte ihm die Listen mit Ghadirs Verwandten und der Verwandtschaft ihres Mannes Izam vor, dessen Vater von Amman nach Palästina ausgewandert war und sich im Norden, in Ain Mahel, niedergelassen hatte, zusammen mit meiner detaillierten und begründeten Empfehlung für eine Genehmigung des Antrags. Haramati warf kurz einen Blick auf die Unterlagen und wandte sich dann an mich:
    »Ich wollte Ihnen die Mühe ersparen und zu Ihnen kommen,
so wahr ich lebe. Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch die Absicht, mir die Villa dieses Senators, getilgt sei sein Name, anzusehen, die er in ein Symbol für das Paradies verwandelt hat, aus dem er demnächst vertrieben wird. Ich weiß nicht, ob Sie dazu gekommen sind, im jordanischen Fernsehen und in den Zeitungen zu sehen, welches Tamtam sie wegen der Vertreibung dieses Israelhassers veranstalteten. Schrecklich. Und ich sage, Gott sei Dank, dass wir ihn los sein werden, einer weniger. Was soll man machen, die Gojim hassen uns. Es spielt keine Rolle, wie gut wir mit der unglücklichen Bevölkerung von Ostjerusalem und dem Westjordanland umgehen mögen, denn wozu sind wir denn da, wenn nicht, um zu helfen? Ich entsinne mich nicht, ob ich Ihnen erzählt habe, dass meine Familie wie durch ein Wunder gerettet wurde, im Jahr 36, als die Araber hier die Juden massakrierten. Ich frage Sie, wo war die Welt, als sie uns schlachteten? Aber was erzähle ich Ihnen da, auch ihr, die Irakstämmigen, seid mit einem Massaker im Jahr 41 geprüft worden. Und wo war die Welt während des Holocaust? Großer Gott im Himmel, nur das Blut der Juden ist vogelfrei … Müssen wir also die Anzahl unserer Feinde hier vergrößern? Ich frage Sie«, hier hielt er für einen Moment in seiner Ansprache inne und zündete sich eine Zigarette an. »Es ist mir untersagt zu rauchen«, betonte er, »aber wer kann dem Druck meiner undankbaren Arbeit standhalten?«
    Ein Mund voller Perlen und ein Herz, trübe wie der Zigarettenqualm, den er ausstößt, wenn er doch an seinem Rauch ersticken würde, dachte ich. Doch ich nahm all meine Kräfte zusammen, um ihn dazu zu bewegen, die Angelegenheit endlich zu Ende zu bringen:
    »Herr Haramati, mir scheint, dass es jetzt, wo Sie die volle Information und auch meine schriftliche und begründete Empfehlung in Händen haben, und angesichts der Tatsache, dass es sich um Verwandtschaft ersten Grades handelt, endlich möglich ist, den Antrag zu genehmigen.«

    »Ich leugne nicht«, erwiderte er, »dass die Sache eine gewisse Berechtigung hat … aber vielleicht haben Sie die Güte mir zu sagen, weshalb Sie Ihre Augen auf unser armes Lamm richten. Kommen nicht, Gott sei Dank, Einwanderer aus den Vereinigten Staaten zu uns, und, so Gott will, öffnen sich in Bälde die Tore der Sowjetunion? Ihr Minister übrigens ist ein scharfsinniger und visionärer Mann, er spricht von früh bis spät von der zu erwartenden großen Einwanderung. Sie haben

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