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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Frage ist aber auch, was die Araber machen werden«, sagte ich und spürte sofort, dass ich nicht das Richtige getroffen hatte.
    »Und was können sie tun? Ich bin der Meinung, auch wenn das Zeitalter der Kriege nicht zu Ende ist, so ist es doch für viele Jahre zurückgedrängt, und man muss die Zeit für einen Bau- und Aktionsschub nutzen. Wir werden Jerusalem in eine Metropole verwandeln, in die ewige Hauptstadt Israels«, schloss er mit Überzeugung und ließ sich wieder auf seinem Sessel nieder.
    Der Minister war ein Besiedlungsvisionär, noch aus seiner Jugendzeit, als er den Pionieren aus Osteuropa begegnet war. Die begeisterten jungen Leute mit den wilden Haarmähnen und den Hemden mit Knöpfen eroberten sein Herz. Er hatte gesehen, wie sie sich im Gemeindehaus neben dem Zelt seiner Familie versammelten, und er hatte darauf bestanden, ihnen zu dienen, ihnen Tee aufgegossen und die Metallbecher gespült, bewundernd zu diesen jungen Menschen aufgeblickt, die die Konventionen, den äußeren Schein und Besitz missachteten, in Zeltlagern hausten und ihren Körper und ihre Seele in dem Traum eines unabhängigen Staates stählten. Er wollte so sein wie sie.

    In seiner Jugend hatte er in der Landwirtschaft und am Bau gearbeitet und für sich eine sozialistische Weltanschauung geformt, und als er erwachsen wurde, befasste er sich mit nationalen Zielen, erwarb Führungskompetenz und wurde zu einem gesuchten Redner im Geist der Zeit, bedacht mit einer gewaltigen Stimme, die ihm stets vorauseilte. Seine Reden in blumig gewundenem Hebräisch waren voller zionistischer Inbrunst und lang wie der Weg vom Sinai nach Jerusalem. Jetzt sagte er zu mir, dass er in seiner Vision tausende junge Leute sehe, die auf dem Weg der Pioniere, die er in seiner Jugend kennengelernt hatte, weiterschritten, sich in den befreiten Gebieten niederließen und die Ödnis dort zum Blühen brachten.
    »Junger Mann«, bediente er sich eines Lieblingsworts seines Freundes Eschkol, »ich will zur Sache kommen.« Er nahm eine große Büroklammer, bog sie auseinander, grub damit unter seinen Fingernägeln und versuchte dann vergeblich, den Draht wieder in seine ursprüngliche Form zu bringen. »Hören Sie, ich war von den Positionspapieren, die Sie mir seinerzeit vorbereitet haben, sehr beeindruckt, und, nebenbei, Sie haben große Weitsicht in der Debatte mit Professor Kischinjevski bewiesen, das ist mir jetzt sonnenklar. Überhaupt, ich denke, dass ein junger Mann mit einem Hintergrund wie dem Ihren bei einer Einheit des Nachrichtendienstes dienen müsste, und nun wurde mir gesagt, dass Sie bei der Panzereinheit sind.« Was sollte diese Bemerkung? »Also, ich habe beschlossen, Ihr Talent zu nutzen und Sie zum Berater für arabische Angelegenheiten zu ernennen und zum Leiter unseres Büros in Ostjerusalem.« Als er die Überraschung auf meinem Gesicht sah, fügte er hinzu: »Manchmal suchen wir die Perlen auf dem Meeresgrund, obwohl sie sich vor unserer Nase befinden. In Ihnen verbinden sich zwei Eigenschaften, Sie sind gebürtiger Orientale, dem Hebräisch und Arabisch geläufig sind, und Sie sind auch ein Zögling von uns, haben die Kibbuzbewegung durchlaufen, Ihnen war es vergönnt, Wasser über die Hände der Gründerväter zu gießen.« Er nahm einen
kleinen Schluck aus seiner großen Kaffeetasse. »Richten Sie sich ein Büro in Ostjerusalem ein, schnüffeln Sie herum, was dort so vor sich geht, treffen Sie sich mit dortigen Effendis und übermitteln Sie mir Ihre Einschätzungen.«
    Ich starrte ihn an und versuchte, die überraschende Berufung zu verdauen.
    »Der Ministerpräsident hat mir aufgetragen, ihn bei der politischen Gestaltung im arabischen Sektor und den befreiten Gebieten zu unterstützen, und Sie sind geeignet, mir bei dieser Aufgabe zu assistieren. Also, alles in Ordnung«, sagte er mit jiddischer Intonation, warf die Büroklammer in den Aschenbecher und rief Schula herein. Er diktierte ihr auf der Stelle mein Ernennungsschreiben und bat sie, es an alle zu versenden, die es anginge, und ihn auch mit dem Oberbefehlshaber der Armee und dem Bürgermeister zu verbinden. »Ich möchte, dass man Sie sofort ins Bild setzt. Und … Schula«, fügte er hinzu, als sei es ihm gerade eingefallen, »bitten Sie den Pressesprecher, noch heute ein Kommuniqué an die Zeitungen und den Rundfunk herauszugeben.« Damit stand er auf, und die Ernennung war eine vollendete Tatsache, ohne dass er nach meiner Meinung gefragt oder meine Zustimmung erbeten

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