Jasmin - Roman
Goldschatz. Dann schaltete ich das Radio ein und schloss die Augen. So sehr hatte ich von diesem Moment geträumt, mich auf dem Sofa auszustrecken, ein Gläschen Schnaps zu trinken und Musik zu hören - woher rührten diese Trauer und dieses Gefühl der Leere?
Das Schrillen des Weckers bohrte sich in meine Ohren wie eine Harpune in einen Fischleib. Mit geschlossenen Augen tastete ich nach dem Schalter und schlug wütend darauf. Ich setzte mich auf das Bettsofa, versuchte, Traumreste zu rekonstruieren, zu enträtseln, was Trabelsi im Tank geschrien hatte, doch vor meinen Augen sah ich nur eine Stichflamme.
Die letzten Sterne verblassten und gaben den Himmel für einen neuen Tag frei. Schon lange hatte ich diese Morgengeräusche, das Zwitschern der Vögel nicht mehr gehört. Mit der Morgendämmerung sah ich die roten Falken auf dem Ziegeldach, und ein wenig Freude stahl sich in mein Herz.
Meine orthodoxe Nachbarin trat auf den Balkon, diesmal winkte sie und lächelte mir sogar zu. Das turnusgemäße Baby brach in sein Morgengebrüll aus, und mir fiel ein, dass ich mich dort, während der Tage des Wartens, nach seinem Weinen gesehnt hatte. Seine Mutter streckte ihre Hände nach einer großen Wanne aus und hängte Wäsche auf, bis kein bisschen Platz mehr auf der Leine blieb. Erst dann ging sie hinein und nahm den Schreihals hoch, um ihm die Brust zu geben. Inzwischen kochte das Wasser im Kessel. Ich schüttete einen Rest Numi-Basra-Tee hinein. Der Geschmack war schal. Man muss ihn in einem Tontiegel aufbewahren, sagte ich mir zum x-ten Mal. Klavierspiel erklang. »Guten Morgen allen Hörern und euch Turnern, alle auf die Plätze, fertig, los«, drang die Stimme von Michael Ben Chanan aus dem Radio.
Beim Rasieren schnitt ich mich. Blut tropfte von dem Schnitt herunter. Ein müdes Gesicht blickte mir aus dem Spiegel entgegen,
geschmückt von einer Mähne, die dringend eines Haarschnitts bedurfte. Mut, Genosse, du bist heil zurückgekehrt, du hast einen Termin mit dem Minister, und auch Levana wird da sein. Da fühlte ich endlich den Anflug eines Lächeln in mir aufsteigen.
4.
DER »AMTIERENDE MINISTER«
Die Tür zum Zimmer des Ministers stand offen, Levana war nicht im Büro, und bevor es mir gelang, Schula, die Sekretärin, zu begrüßen, signalisierte er mir mit der Hand einzutreten, nahm seine Füße vom Schreibtisch, erhob sich und drückte mir kräftig die Hand, wobei seine Löwenmähne heftig wippte.
Der Minister ohne Portefeuille wurde von uns hinter seinem Rücken der »amtierende Minister« genannt, denn er hatte zwar keinen eigenen abgegrenzten Geschäftsbereich, aber dennoch seine Hand überall mit im Spiel, und sein Büro lag zur Rechten der Amtsräume des Regierungsoberhauptes.
»Herzlich willkommen. Wie war es?«, fragte er, als sei ich von einem Ausflug zurückgekehrt.
Ich wartete verlegen und wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Nu, wir sind als belagerter Staat schlafen gegangen und als Imperium aufgestanden! Das ganze westliche Erez-Israel gehört jetzt uns.« Seine Augen blitzten unter den buschigen grauen Brauen. »Das ist der erste Krieg für eure Generation der Alija. Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass wir Befürchtungen hatten, was wird und wie die Immigrantensiedlungen an der Grenze zurechtkommen, ob sie, Gott bewahre, vielleicht aufgeben …«, überraschte er mich mit seiner Offenherzigkeit. »Aber ich höre, dass ihr, die Söhne, euch wunderbar an der Front bewährt habt.«
Mein Magen zog sich zusammen. Ich legte meine Hände darauf. Ich wollte ihm von den siebzehn jungen Männern aus Katamon erzählen, die in den Kämpfen gefallen waren, doch ich schwieg.
»Sagen Sie mir, Sie kennen sie doch schließlich, haben Sie
sich vorgestellt, dass die Ägypter so davonlaufen würden, barfuß?«, sagte er lachend und hob seinen Kopf zu der Gruppe von Pionieren, die ihm von dem großen Bild an der Wand entgegenblickte.
»Ich weiß nicht, in meinem Abschnitt haben sie ehrenhaft gekämpft«, murmelte ich.
»Ich sehe, dass Sie müde sind. Nu, das ist ganz natürlich«, bemerkte er und bat Schula um einen Kaffee für mich, die sich nicht daran erinnerte, dass ich Kaffee ohne Milch trank. Wäre Levana dagewesen, hätte ich einen Kaffee nach meinem Geschmack erhalten. Der Minister stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen. »Eine neue historische Epoche hat sich uns eröffnet, gewaltige Möglichkeiten«, dröhnte er und verstärkte seine Worte mit entschiedenen Handbewegungen.
»Die
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