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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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begann sie mit den Vorbereitungen. Sie schabte Bleikugeln über meinem Kopf in ein Schüsselchen mit Wasser und rieb mit der Flüssigkeit meinen Hals ein, ein probates Mittel gegen den bösen Blick. Ich saß in der Küche auf einem geflochtenen Strohhocker
und wartete geduldig bis zum Ende der Zeremonie, die auch viele gemurmelte Segens- und Glückwünsche beinhaltete. Sie wickelte eine Prise Salz in ein Stückchen Stoff und steckte es zusammen mit Bleiresten in meine Hosentasche. Ich hatte ihr nie erzählt, dass ich sie tatsächlich immer bei mir trug. Ich hatte sie sogar in den Krieg mitgenommen. Es war bequemer für mich vorzugeben, dass das meiner Ansicht nach Aberglauben war.
    Nach Abschluss der Zeremonie holte meine Mutter aus der Küche einen großen Korb mit Essen und Gebäck und drückte ihn mir in die Hand. »Ich habe Halva in Machane Jehuda für dich gefunden, umwerfend, Numi-Basra-Tee habe ich auch für dich gekauft«, sagte sie, während sie mich ins Treppenhaus begleitete.
    »Mama, sag mir die Wahrheit, was haben die Ärzte gesagt?«
    »Er muss auf sich aufpassen, sich nicht aufregen, nicht wütend werden, nicht rauchen, eine Diät machen, Pillen und Ruhe, das ist alles.«
     
    Ein von einem weißlich schimmernden Hof umgebener Mond erhellte den Nachthimmel. Ich überquerte das felsige Gelände, die Abkürzung zur Dostaistraße. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, mir von meinem Vater Geld geben zu lassen. Die Brieftasche war verloren, wie sollte ich morgen zur Arbeit fahren? Ich sprang mit einem Satz die drei Stufen hinunter zu dem Pfad, der zu dem Wohnblock an der Elazar-Hamoda’i-Straße führte, und einen Augenblick später stand ich vor meinem überquellenden Briefkasten: Wasser- und Stromrechungen und Ähnliches. Mit klopfendem Herzen suchte ich nach einem Brief, auch nur einem Zettel, von Jardena. Früher liebte sie es, mich zu überraschen, schickte Briefe oder steckte Zettel unter die Tür, »damit du weißt, dass ich überall bei dir bin«. Wenn wir uns gestritten hatten, schickte sie mir bunte Postkarten mit Sprichwörtern, was das Zeichen dafür war, dass ihr Zorn verraucht und die Zeit der Liebe wiedergekommen war. Diesmal fand ich nichts. Enttäuscht stieg ich zu meinem Appartement im vierten Stock hinauf.

    An der Tür näherte sich mir leise Gruschka, die Katze meiner Nachbarin zur Linken. Eine schöne Katze mit üppigem weißem Fell und einem schwarzen Fleck quer über ihren gewölbten Rücken. Sie wartete immer auf mich, nie war sie mir böse. Ich hob sie an mein Gesicht und rieb meine Wange an ihr.
    Ein schwerer, erstickender Geruch hing in meiner Wohnung, ein Geruch nach Staub, der sich an einem verlassenen Ort anhäuft. Ich knipste das Licht am Eingang an und blieb zögernd auf der Schwelle stehen, als ob ich nicht nach Hause zurückkäme. Gruschka schoss mit einem Satz vor mir hinein und zog mich hinterher. Sie ließ sich in Besitzerpose auf dem grünen Polstersessel nieder, von dem ich mir geschworen hatte, ihn aus der Wohnung zu werfen, wenn ich aus dem Krieg zurückkäme. Ich stellte meinen Tornister und Mamas Korb auf dem Boden ab, und aus irgendeinem Grund schaltete ich in der ganzen Wohnung das Licht ein - im Zimmer, in der Küche, in der Toilette, auf dem Balkon.
    Die große schöne Topfpflanze auf dem Balkon war verwelkt. Im Kühlschrank faulten das Gemüse und das Obst. Der Käse hatte Schimmel angesetzt, das Brot war vertrocknet, das Öl im Salzfischtiegel war geronnen. Warum hatte ich nicht alles vor dem Einrücken weggeworfen? Etwas Verputz war in der Dusche und in der Toilette abgeplatzt, das Spülwasser hatte die Kloschüssel verfleckt. Ich drehte den Hahn über dem Waschbecken auf, der entsetzlich zu husten und zu spucken begann. Rostiges Wasser schoss heraus und verspritzte trübe Tropfen in alle Richtungen. Ich ließ das Wasser lange laufen. Bis es klar wurde.
    Am liebsten wäre ich auf und davon. Doch wohin? Ich nahm einen gehörigen Schluck aus der Slibowitzflasche in der Speisekammer. Das Getränk, scharf wie ein Rasiermesser, kratzte im Hals, flammend wie Zunder, und wälzte sich wie ein Feuerball die Speiseröhre hinunter. Jetzt war eine Zigarette nötig. Ich verteilte immer Packungen an allen möglichen Stellen im Zimmer. Ich durchsuchte alle Ecken, leerte alle Schubladen aus, nichts.

    Ich legte die Kleider für den nächsten Morgen zurecht. In der Hosentasche, zwischen Zetteln, fand sich ein Zehn-Lirot-Schein. Ich freute mich darüber wie über einen

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