Jasmin - Roman
anstelle?
Nach der Hochzeit hatte das junge Paar anfangs bei ihnen gewohnt, im ersten Stock, der ganz und gar zu ihrer Verfügung stand, bis sie beschlossen, eine eigene Wohnung zu beziehen. »Was hat ihnen hier gefehlt?«, grämte sich Umm George, und er war der gleichen Meinung. Doch als sie die Begeisterung und den Eifer sahen, mit denen die beiden ein neues Kapitel mit ihrem eigenen Heim aufschlugen, begriffen sie, dass die jungen Leute recht hatten. Sie warteten sehnsuchtsvoll auf einen Enkel, doch dann geschah das Unglück, Azmi starb in der Blüte seiner Jugend, und die Welt verdunkelte sich.
Die Abschiedsszene stieg wieder einmal vor seinem geistigen Auge auf: Jasmin, die am Flughafen von Amman vor ihm schnell zur Abflughalle schritt. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder gehorchten ihm nicht, bis ihm ein schwacher Aufschrei entfuhr: »Jasmin, meine Tochter, gib auf dich Acht!« Umm George hatte ihn umarmt: »Beruhige dich, mein Lieber, sie fährt nicht in ein Flüchtlingslager, sie fährt nach Paris, in die Hauptstadt der Welt.« Doch das war ihm keine Beruhigung. Ein Mensch zieht seine einzige Tochter groß, und sie verlässt ihn, wie war das möglich, ja Rab al-Alamin, o Herr der Welt!
Fünf Jahre waren verstrichen, doch der flammende Schmerz wühlte noch immer in seinem Inneren. Wäre sie hier gewesen, hätte er jemanden gehabt, mit dem er sich beraten könnte, vielleicht hätte er durch sie mitbekommen, was in den Herzen ihrer Altersgenossen vorging, vielleicht hätte sich ihm die neue Wirklichkeit erschlossen, schließlich konnte sie Hebräisch wie die jungen jüdischen Mädchen, wie Edna Mazursky. Wäre Edna bei ihr gewesen, hätte sie sie nicht wegfahren lassen, sie wäre in der Trauerzeit nicht von ihrer Seite gewichen. Und auch ihr Vater war ein wahrer Freund gewesen. Weshalb hatte er nicht auf seine Beschwörungen gehört, warum war er nicht in Talbieh geblieben?
Er brach wie üblich zum Frühstück mit Abu Nabil auf. Diesmal, so beschloss er in seinem Herzen, würde er mit allem Nachdruck mit ihm über die Wiederaufnahme der Zeitungsarbeit reden.
Das Gespräch führten sie im Büro, damit ihre Worte keine Flügel bekämen. Abu Nabil machte es sich im Sessel bequem, zog ein seidenes Taschentuch hervor und saugte an der Wasserpfeife.
»Endlich fangen wir zu arbeiten an«, reagierte er diesmal positiv auf den Vorschlag, die Zeitung von neuem herauszugeben.
»Ich schlage auch vor, das Konzept zu ändern«, fuhr Abu George fort. »Ich möchte eine Artikelreihe zur Selbstkritik veröffentlichen. Die Zeitung neuen, jungen Kräften öffnen, Frauen beteiligen, die Niederlage zu einem Hebel für gedankliche und gesellschaftliche Klärung machen.«
»Wozu gedankliche Klärung?«, verwarf Abu Nabil seinen Vorschlag. »Die Dinge sind doch klar. Dieser ganze Krieg war eine sowjetische Intrige gegen uns.« Und angesichts des Erstaunens auf dem Gesicht seines Freundes fügte er hinzu: »Schließlich war Marx, der Vater der russischen Revolution, Jude, und seine Revolution war ein Mittel zur Lösung des Problems der Juden!«
»Vielleicht hast du recht. Aber das enthebt uns trotzdem nicht der Selbstkritik«, versuchte Abu George eine überflüssige Debatte zu umgehen.
»Wovon redest du?! Fremde Faktoren haben uns Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ist das denn logisch, dass uns das kleine Israel einfach so besiegt, als wäre es ein Ausflug im Park? Uns ist ein Missgeschick passiert, bei Allah! Und nach dem bösartigen Angriff Israels gab es keine Wahl. Abd al-Hakim Amer, der ägyptische Kommandeur, zog sich zum Suezkanal zurück, um die Armee zu retten, wie damals, als Britannien, Frankreich und die Zionisten angriffen …«
»Abu Nabil, um Himmels willen, wir haben immer anderen die Schuld an unseren Problemen gegeben - den Osmanen, Engländern, Kolonialisten, Kommunisten und jetzt den Juden. Wann werden wir für unsere Fehler Verantwortung übernehmen?«, fragte er, beugte sich zu seinem Freund vor und flüsterte: »Schau dir Nasser an, er hat Veränderung versprochen, Landverteilung, und stattdessen hat er seine Armee ruiniert, den König und Syrien mit hineingezogen, seinen Boden und unseren Boden verloren, und immer noch beschuldigt er die ganze Welt außer sich selber. Wir sind in der Vergangenheit festgefahren, mein Bruder, und wir werden da nicht herauskommen, solange wir weiterhin nur andere beschuldigen. Sieh dir an, wie es Israel gelungen ist, Alt und Neu zu verflechten,
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