Jasmin - Roman
Moderne mit Religion. Schau dir an, welche Begeisterung dort alle ergriffen hat, als sie ihre Mauer erreicht haben.«
»Bravo, Abu George, das ist genau der Punkt. Demnächst werden die Verrückten bei ihnen von dem neuen Tempel reden, und unsere Verrückten werden den Dschihad ausrufen, und das war’s dann. Nichts besser als das. Al-Dschihad, mein Bruder, ist die beste Erfindung, die die Muslime in die Welt gesetzt haben«, erwiderte Abu Nabil und landete einen Schlag auf den Tisch wie in seiner Jugend, als er Volleyball in der Auswahlmannschaft der Studenten spielte. »Nasser hat das begriffen. Hier, das Telegramm, das er an den König geschickt hat: ›Wir glauben an Allah, es kann nicht sein, dass Allah uns im Stich lässt. In den kommenden Tagen wird Allah uns den Sieg bringen, er wird uns helfen, auf dass Allahs Wille uns lenke.‹«
»Und auf diesen Mann verlässt du dich? Auf einen Revolutionär, der zu Allah zurückkehrt, wenn er geschlagen ist?«, fragte Abu George.
»Abu George, du bist ein stolzer Araber, aber ein Christ, du verstehst den Islam nicht«, berührte Abu Nabil wieder den wunden Punkt. »Du verstehst nicht, dass man den Namen Allahs benutzen muss, das ist der Schlüssel zur Einigkeit, zum Sieg. Wofür brauchen wir Erklärungen? Möchtest du, dass wir eine erbärmliche Imitation Amerikas werden? Warum sollten wir das Hinterteil des Westens sein?« Er betonte jedes Wort. »Man muss am Islam festhalten, wir sind die Söhne einer der größten und prächtigsten Kulturen der Geschichte. Über tausend Jahre lang lagen wir auf allen Gebieten an der Spitze, in der Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst, Medizin, Philosophie und Politik. Wir haben die Grundlagen zu Astronomie und Algebra gelegt, haben Europa das Dezimalsystem gelehrt, Ibn Haldun ist der Vater der Soziologie, Ibn Sina der der Medizin und Philosophie …«
»Und was weiter?«, unterbrach ihn Abu George sanft, obwohl seine Geduld zunehmend schwand. »Du erteilst mir eine Lektion, als wäre ich ein Ignorant. Bis wann soll einer an seinen ruhmreichen Tagen festhalten, der seiner Besitztümer schon längst beraubt ist?«
»Nur Krieg. Dritte Runde«, sagte Abu Nabil und blies einen Rauchring zur Decke.
»Wie viele Kriege sollen wir noch führen?«
»Bis wir siegen.«
»Ich schlage vor, die Leitartikel der großen Zeitungen in Israel zu übersetzen und sie zu publizieren«, kehrte Abu George zu seinem Thema zurück. »So lernen wir sie besser kennen.«
Abu Nabil lehnte seinen Kopf an die Sessellehne und lachte. »Ich will aber nichts von ihnen, und ich will sie auch nicht besser kennenlernen.«
Große Müdigkeit befiel Abu George. Es war zum Verzweifeln.
Wer hätte gedacht, dass unter dem Akademiker und gebildeten Redakteur ein sturer Muslim mit allem Drum und Dran steckte, dass es so schwierig, vielleicht sogar unmöglich war, ihn von den ererbten Vorurteilen abzukoppeln?
Ich kann Abu Nabil nicht ändern, und ich will ihn auch nicht verletzen, dachte er. Manchmal muss man sich mit einem Rinnsal anstatt eines Flusses begnügen. Dennoch beschloss er, die zweite Bombe zu zünden, die er im Ärmel bereithielt: »Ich bin dabei, für morgen Nachmittag die Geschäftsführung des Verbandes zusammenzurufen, um die Bitte ihrer Regierung zu diskutieren, das Touristikgeschäft wieder in Betrieb zu nehmen.«
»Mein Freund, ich werde dich nicht daran hindern, das in deinen Augen Richtige zu tun, aber sieh dich vor. Ich fürchte, dass du auf gewaltige Wut stoßen wirst.«
Zur Versammlung der Touristikvereinigung, die am Abend in dem großzügigen Sitzungsraum des Hotels al-Watani abgehalten wurde, kam Abu Nabil, ganz gegen seine sonstige Art, zu spät. Abu George sah sich gezwungen anzufangen und las zunächst den Brief vor, den ihm der Berater des Ministers, Nuri Amari, geschickt hatte. Die Anwesenden wurden darin um Unterstützung gebeten, um das tägliche Leben wieder in Gang zu bringen. Als er geendet hatte, tobte der Saal vor Zorn.
»Das Leben wieder in Gang bringen? Das ist doch reine Irreführung! Sie wollen, dass wir ihre Herrschaft und ihr Gesetz akzeptieren, und ich wage es, mit deutlichen Worten zu sagen, dass die Rede von einer Kooperation mit dem zionistischen Feind ist«, rief Abu Mas’ud, der Kinobesitzer.
Abu George atmete erleichtert auf, als er seinen Freund endlich den Saal betreten sah und wie dieser, eingehüllt ins Bewusstsein seiner Bedeutung, mit gemessenem Schritt seinen Platz auf dem Podium einnahm.
»Wir müssen
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