Jasmin - Roman
sich ihnen näherte, an dem Getuschel, als habe er aufgehört, ihr Führer und ihr Fleisch und Blut zu sein.
»Was denken sie, zum Teufel, dass man mich gekauft hat? Dass ich ein Kollaborateur geworden bin? Was hätten sie denn an meiner Stelle getan?«, sagte er aufgewühlt zu Umm George am Ende einer langen Wanderung durch die Straßen.
»Weißt du nicht, mein Lieber, dass die Menschheit undankbar ist?«
Er klagte über Schmerzen, und sie massierte seinen Rücken mit einem klebrigen, scharfen Öl, das ihn wärmend einhüllte und die Schmerzen linderte.
»Gesegnet seien deine Hände«, sagte er ächzend zu ihr. Ihr Lächeln flößte ihm Ruhe und Sicherheit ein. Dieses Haus war eine starke Stütze, dachte er und sagte: »Ich werde ihnen das Mandat zurückgeben, und bei Jasmins Leben, sie sollen sich einen anderen Vorsitzenden suchen, der die Arbeit macht.«
»Mesch mumken, so rechtfertigst du den Dreck, mit dem sie dich bewerfen.«
»Wenn nur Abu Nabil auf meiner Seite gestanden hätte.«
»Vielleicht erpressen sie ihn, vergiss nicht, dass sein Sohn Mitglied der ›Fatah‹ ist«, flüsterte sie, als würden sie in ihrem eigenen Haus belauscht.
Trotz alledem gewann Abu George schnell wieder etwas von seiner Selbstachtung zurück, als er an der Spitze einer Delegation von Journalisten, Schriftstellern und Hochschullehrern zu einem Besuch der hebräischen Universität aufbrach. Die feierliche Einladung hatte er von dem herausragenden Islamforscher Professor
Meir Schadmi erhalten, als jener kam, um im al-Hurrije in Begleitung seines Exschülers Nuri Amari, des Beraters des Ministers, zu speisen. Er konnte es dem ehrenwerten Professor nicht abschlagen und willigte ein, dessen Lebenswerk, die »Konkordanz der altarabischen Poesie«, zu besichtigen. Abu Nabil schloss sich ihm natürlich an sowie drei weitere Journalisten, zwei junge Dichter und drei Dozenten der arabischen Bir-Zeit-Universität, ebenso wie der Besitzer eines bekannten Buchladens in Nablus.
Am Eingang zum Campus erwarteten sie Nuri und Professor Schadmi und führten sie zur Nationalbibliothek, einem rechteckigen, dunklen Bau ohne Charme. Der Gelehrte hielt ihnen einen langen Vortrag, in blumigem Arabisch mit einem fremden, merkwürdigen Akzent, über seltene Texte, und las ihnen aus der antiken Poesie vor, strahlend wie ein verliebter Jüngling.
Abu Nabil, der den betagten Professor mit Argusaugen musterte, unterbrach ihn: »Ustad Schadmi, haben Sie Kinder?«
Der Professor hob eine Braue: »Ich habe einen Sohn, und sein Name ist Menachem.«
»Sie kennen so viele bewundernswerte arabische Dichter und nennen Ihren Sohn Menachem?«, provozierte Abu Nabil den Gastgeber, wider alle Regeln der Höflichkeit.
Abu George zuckte zusammen. Doch der Professor ließ keinerlei Zeichen von Verlegenheit oder Kränkung erkennen. Im Gegenteil, er musterte seinen Gesprächspartner mit einem Blick, in dem Abu George ein Fünkchen Spott zu sehen vermeinte.
»Eigentlich ist der Name meines Sohnes Muhammad«, erwiderte er, und seine Augen blitzten schelmisch.
»Wie das?«, lachte Abu Nabil.
»Der Name Muhammad kommt von Himmid oder Ahmad, und im Syrischen, das christliches Aramäisch ist und seinerzeit jüdisches Aramäisch war, ist der Name Muhammads Menachama und kurz Menachem!«
Abu Nabil sah völlig entgeistert drein, und es schien ihm die Sprache verschlagen zu haben.
»Haben Sie das nicht gewusst?« Der Professor wechselte von seinem belustigten Ton in die Stimmlage eines gestrengen Lehrers und wedelte mit dem Finger.
Abu Nabil schüttelte den Kopf, doch nachdem er sich gefasst hatte, fragte er provokant: »Und Menachem Begin, ist er auch ein Muhammad?« Worauf alle in Gelächter ausbrachen.
Der Besitzer des Buchladens in Nablus, ein Autodidakt, der den Hadith, die mündliche Überlieferung der Prophetenlehre, von einem großen Gelehrten gelernt hatte, der aufgrund seiner extremen Ansichten aus Syrien vertrieben worden war, fragte: »Ustad Schadmi, mein Lehrer hat von Ihnen gehört und Ihre wissenschaftlichen Artikel gelesen, und er hat gesagt, dass Sie ein Muslim sind, der seine Identität verbirgt.«
»O ja, ich habe davon gehört, ›der Mann, der seine Religion verbirgt‹. Die Legende erzählt, wenn ein solcher Mann stirbt und in einem jüdischen Grab begraben wird, kommen die Engel in der Nacht und bringen seinen Leichnam zu einem muslimischen Friedhof«, antwortete der Professor.
»Also sind Sie nun ein Muslim oder nicht?«, verlangte der
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