Jasmin - Roman
Buchladenbesitzer zu wissen.
»Öffnen Sie doch nach meinem Tod mein Grab, und sehen Sie nach, ob die Engel mich von dort weggebracht haben, und dann werden Sie es genau wissen«, erwiderte Professor Schadmi mit einem Lächeln.
Abu Nabil ließ nicht locker: »Ich möchte Ihnen eine jüdische Frage stellen, das heißt über die Juden.«
»Das ist nicht mein Spezialgebiet, aber man darf einen Gast nie leer ausgehen lassen. Tafaddal, bitte, fragen Sie.«
»Ihr Juden seid ein wanderndes Volk. Wann werden Sie Ihrer Meinung nach von diesem Ort genug haben und an einen anderen Ort gehen?«
Abu George errötete, legte seine Hand auf den Mund und erstickte einen neuerlichen Husten. Wie kam es, dass sich Abu Nabil wie ein ungezogener Junge benahm?
»Wenn Sie den Wunsch nach einer umfassenden Antwort haben, muss ich Sie in jüdische Dinge einweihen. Also, machen Sie es sich gemütlich, und seien Sie so freundlich, sich an Getränken und Keksen zu bedienen.«
Abu George nahm sich ein Honigküchlein und Grapefruitsaft, während Abu Nabil die Hände hinter dem Nacken verschränkte und wartete.
»Nun denn, früher war das Exil die existentielle nationale Lage des jüdischen Volkes. Das Überleben war das Wichtigste. Unsere Väter sagten quasi: ›Wir haben keine Gegenwart, und daher müssen wir die Vergangenheit interpretieren und an die Zukunft denken.‹ Doch die zionistische Revolution kehrte zum Land Israel zurück, als realem Ort, und sagte: ›Wir sind die Exegeten des jüdischen Wesens, wir sind jetzt die Erneuerer der jüdischen religiösen Gebote, denn uns ist die Bewältigung der Wirklichkeit auferlegt. Wir transportieren das Judentum in die Gegenwart mit einem Baum, den wir pflanzen, mit einem Krieg, den wir kämpfen.‹ Herzl war eine Art Prophet, der sagte, dass die Errichtung einer Heimat für das jüdische Volk und die Einwanderung nach Israel die wichtigste Mizwa, das allerwichtigste religiöse Gebot überhaupt, in unserer Zeit ist. Und mit einem Satz, ja azizi, mein lieber Abu Nabil, wir werden nirgendwo anders hingehen und nicht ins Exil zurückkehren. Wir sind endlich heimgekehrt.«
»Und was ist mit den Arabern hier?«
»Die zeitgenössische Geschichte ist nicht mein Spezialgebiet«, wich der Professor aus.
Die Arbeit in der Zeitung nach dem neuen Konzept tat Abu George gut und erfüllte ihn mit jugendlichem Enthusiasmus. In der ersten Nacht blieben er und Abu Nabil bis drei Uhr morgens wach und hüpften wie junge Ziegenböcke, als die frische Rolle aus der alten Druckmaschine ausgeworfen wurde. Es dämmerte fast schon, als er nach Hause zurückkehrte, wo ihm Umm George
in freudiger Aufregung entgegenkam und hinter ihr der Senator Antoine.
»Wozu diese Aufregung? Warum schlaft ihr nicht, es ist doch nicht die erste Ausgabe, die wir drucken«, neckte er sie lächelnd.
»Mein Lieber, habibi, mein Liebster, bilde dir auf dich und dein Papier nur nichts ein. Es ist wegen Jasmin, sie kommt bald!«
»Was? Wann hat sie angerufen, was hat sie gesagt?«
»Was spielt es für eine Rolle, was sie gesagt hat«, entgegnete der Senator und hakte Abu George unter, »Hauptsache ist, dass sie kommt. Was für ein Mädchen. Und wie sehr sie gelitten hat.«
»Inschallah, möge sie endlich bei uns bleiben«, seufzte Abu George und hoffte, es würde ihm gelingen, sie dazubehalten. Sie hatte ja nur noch das Schlusskapitel ihrer Dissertation zu schreiben und ein Praktikum zu machen, und danach würde sie ihren Doktortitel erhalten. Und schon plante er insgeheim, wie er sie überzeugen würde, das Praktikum hier in al-Quds, in irgendeiner bekannten Einrichtung, oder in Ramallah zu absolvieren. Und wenn sich kein geeigneter Platz fände, würde er im Westteil der Stadt suchen, und er beschloss im gleichen Moment, sich mit Nuri, seinem Verbindungsmann zu Israel, zu beraten. Er wusste, so wie in der arabischen Gesellschaft ein Mensch einen Vermittler brauchte, der den Weg abkürzte und auf seine Ehre achtete, so brauchte man den auch bei den Israelis, nur nannten sie es »Protektion«.
11.
VON PARIS NACH AL-QUDS: JASMIN
Ein heftiger Hitzeschwall schlug Jasmin entgegen, als sich die Flugzeugtür am Flughafen von Amman öffnete. Sie zog hastig ihre Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf, schützte sich vor den gleißenden Strahlen, die ihr ins Gesicht schlugen. Ihre Eltern drückten sie lange Zeit an ihr Herz. Wie sehr sie sich nach ihrer Nähe und Wärme gesehnt hatte! Sie sahen ein bisschen gebeugter aus,
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