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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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trauriger. »Jasmin, Jasmin«, murmelte ihr Vater, und ihre Mutter weinte und lachte abwechselnd und streichelte ihre Wangen.
    Nachdem sie die Zollkontrollen am Flughafen hinter sich gebracht hatte, stiegen sie in den schwarzen Dodge und fuhren los. Der wenige Verkehr auf den Straßen floss träge dahin, so ganz anders als der Tumult und das Tempo des Autostroms in der Lichterstadt. Ihre neugierigen Augen erfassten die vorübergleitende Szenerie, und ihr Blick suchte die Mauern nach Aufschriften und Parolen ab wie jene, die auf Pariser Wände geschmiert wurden, so selbstverständlich wie Lippenstift auf einem Frauenmund, doch die Wände waren größtenteils blank und leer. Nur hier und da stieß sie auf Kriegsparolen, die ihr ein bitteres Lächeln entlockten: »Der Sieg ist nahe«, »Es lebe die arabische Einigkeit«.
    An der Allenby-Brücke stockte der Verkehr, die Autos standen im Stau, und daneben ganze Familien, die darauf warteten, die Brücke zu Fuß zu überqueren. Sie erinnerte sich nicht, einen solchen Tumult früher gesehen zu haben. Und dann bemerkte sie die Soldaten, die Ausweise kontrollierten und Gepäck und Autos durchsuchten. Sie waren überwiegend älter, schlampig,
barhäuptig. Zum ersten Mal sah sie israelische Soldaten, sie wusste nicht, dass es sich bei ihnen um Reservisten handelte.
    »Schu hatha, was ist das?«
    »Die Okkupation«, antwortete ihr Vater,
    Sie schloss die Augen. Würden sie ihr Gepäck durchsuchen? Drei geheime Briefe, die ihr Faiz, der Kopf der Fatah in Paris mitgegeben hatte, befanden sich in einem ihrer Koffer. Als er sie ihr überreicht und sie instruiert hatte, wie sie sie verstecken und wem sie sie übergeben sollte, war sie stolz darauf gewesen, eine wichtigen patriotische Mission zu übernehmen.
    Sie wandte den Kopf der Autoschlange zu und seufzte. Sie durfte es auf keinen Fall ihren Eltern erzählen. Es war ohnehin nichts zu machen, denn ein Rückzug war unmöglich: eine Kolonne von Autos hinter ihnen, Soldaten der Besatzungsmacht vor ihnen. Sie zog ihr Kleid über die Knie und drückte sich in die Tiefe des Sitzes, von Reue geplagt, weil sie eingewilligt hatte, den Kurier zu spielen. Sie lehnte den Kopf an die Schulter ihrer Mutter wie ein müdes kleines Mädchen und versuchte, sich gleichgültig zu geben. Etwa eine halbe Stunde mussten sie warten, bis sie an die Reihe kamen. »Meine Tochter«, sagte Abu George, »zeig deinen französischen Pass vor, und lass deinen jordanischen Ausweis in der Tasche.«
    »Ausweise bitte«, sagte der Soldat, der an ihr Auto getreten war, auf Arabisch mit fremdem Akzent, der dem jener Nordafrikaner ähnelte, die sie in Paris getroffen hatte. Abu George reichte sie ihm, und er studierte sie sorgfältig.
    »Wie ich sehe, sind Sie Journalist, mein Herr?«
    »Reporter, Besitzer und Redakteur der Zeitung al-Watan .«
    »Und was haben Sie in Amman gemacht, Seine Majestät interviewt?«, scherzte der Soldat.
    »Nein, ich habe meine Prinzessin abgeholt«, gab Abu George zurück.
    Der Soldat spähte ins Wageninnere und verbeugte sich leicht vor ihr. »Und woher kommt die Prinzessin?«

    »Aus Paris.«
    »A Paris …«, trällerte der Soldat nach dem Lied von Yves Montand und überprüfte weiter die Papiere. »Und was hat die Prinzessin in Paris gemacht?«
    »Sie studiert an der Sorbonne. Macht ihren Doktor.«
    »Spricht Ihr Vater immer in Ihrem Namen, Mademoiselle?«, überraschte er sie auf Französisch.
    »Madame«, korrigierte sie ihn knapp.
    »Und weshalb reisen Sie mit einem ausländischen Pass ein, haben Sie keine jordanische Staatsbürgerschaft?«
    »Natürlich habe ich die«, sagte Jasmin stolz.
    »Ein Bekannter aus eurer Regierung hat mir geraten, dass sie mit dem französischen Pass einreisen soll«, erklärte Abu George.
    »Aha«, brummelte der Soldat.
    Ein hochgewachsener Feldwebel trat zu ihnen. »Was schäkerst du da rum, vorwärts, beeil dich. Siehst du nicht, was für eine Schlange da hinten ist?«
    Jasmin spitzte die Ohren, als sie die hebräischen Sätze hörte. Doch was bedeutete das Wort »schäkern«? Sie konnte sich nicht erinnern, ihm in ihrer Kindheit begegnet zu sein. Vielleicht war es ein Kodewort, dachte sie.
    »Wir haben hier ein Problem. Eine jordanische Staatsbürgerin, die ausgerechnet mit einem französischen Pass einreist«, der Soldat wedelte mit dem Pass und reichte ihn dem Feldwebel.
    »Wo ist das Problem? Sie wollten sich die Prozedur der Familienzusammenführung ersparen«, erwiderte der Feldwebel und

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