Jasmin - Roman
studierte den Pass. »Gut, nimm sie ins Büro mit, und durchsuche sie. Na los, mach schon.«
Jasmin wurde blass. Der Soldat befahl Abu George, an der Seite zu parken, und bat sie, ihn zu begleiten. »Madame la princesse«, sagte er auf Französisch, »warten Sie, bis man Sie zur Passkontrolle ruft, und wenn Sie fertig sind, warten Sie hier neben dem Zelt auf mich.«
Fünfunddreißig weitere Minuten wartete sie neben dem Zelt
des Innenministeriums, bedrängt von der Hitze und dem Tumult, von der Situation der Menschen, die wie sie warteten, und dem Kummer derer, die aus dem Zelt kamen und wieder zurückgeschickt wurden, hauptsächlich aber wegen der bedrohlichen Briefe in ihrem Koffer. Sie dachte an die Freiheit von Paris, an den brodelnden Campus, und sagte sich, dass sie ein absurdes Theater erlebte. Die Sonne brannte erbarmungslos. Ihre Mutter winkte ihr vom Auto her mit einem Schal zu, den sie von ihrem Hals abgenommen hatte, und bedeutete ihr, ihn zu holen, um damit ihren Kopf vor der Sonnenglut zu schützen, doch sie blieb auf ihrem Platz, trotzig, als bestrafe sie sich selbst.
Als sie aufgefordert wurde einzutreten, empfing sie eine ältere, blonde Frau, die eine billige Zigarette rauchte. Der Rauch reizte Jasmin, und sie holte aus ihrer Handtasche schlanke Filterzigaretten, zündete sich eine an und legte das Päckchen auf den Tisch. Die Angestellte bat mit einer Handbewegung um die Papiere, kontrollierte den französischen Pass und den jordanischen Personalausweis, warf einen prüfenden Blick auf Jasmin und verglich sie mit den Bildern in den Ausweisen.
»Wie viele Jahre sind Sie schon in Paris?«
»Fünf.«
»Was machen Sie dort?«
»Ich lebe.«
»Schön, aber was tun Sie dort?«
»Ich mache meinen Doktor an der Sorbonne.«
»Und in was?«
»In Sonderpädagogik.«
»Was ist der Zweck Ihres Besuchs?«
»Muss ein Besuch in der Heimat einen Zweck haben?«
»Trotzdem.«
»Ich bin gekommen, um meine Eltern zu sehen, Freunde.«
»Schön, und für wie lange sind Sie gekommen?«
»Zwei bis drei Wochen, höchstenfalls einen Monat.«
»Wer sind Ihre Freunde in Paris?«
Jasmin hob eine Augenbraue und zuckte die Achseln. »Die Bücher«, erwiderte sie.
»Könnte ich Ihre Flugkarte sehen?«
Jasmin reichte ihr das Ticket.
»Haben Sie vor, sich hier niederzulassen?«
»Ich sagte Ihnen doch gerade, dass ich zu einem kurzen Besuch gekommen bin.«
»Ich bedaure, Sie belästigt zu haben. Angenehmen Aufenthalt, Madame.«
Als sie bereits den Ausgang erreicht hatte, hörte sie die Angestellte rufen: »Frau Hilmi!« Jasmin erstarrte. »Sie haben Ihre Zigaretten vergessen.«
Draußen wartete der Französisch sprechende Soldat auf sie, begleitete sie zum Auto und half ihr, die drei Koffer aus dem Kofferraum zu holen und sie ins nächste Zelt zu tragen. Darin befanden sich nur ein Tisch, zwei Stühle und eine elektrische Glühbirne, die von einem Mast baumelte. Sie befürchtete, dass sie unter Beobachtung einer versteckten Kamera stand, wie sie es in Filmen gesehen hatte. Sie durfte keinesfalls Unsicherheit ausstrahlen, die Misstrauen erregen würde, sie musste ihr natürliches Auftreten bewahren. Jetzt, als sie allein waren, musterte der Soldat sie mit einem anzüglichen Lächeln.
»Würden Sie so gut sein, die Koffer zu öffnen.«
Jasmin öffnete ihre Handtasche, holte einen Schlüsselbund heraus und legte ihn auf den Tisch. »Ich mache gar keinen Koffer auf. Ihr wollt kontrollieren, also kontrolliert«, sagte sie mit hoch erhobenem Kopf.
Der Soldat betrachtete sie belustigt und bat sie noch einmal, die Koffer zu öffnen, was sie mit einer Kopfbewegung verweigerte. »Ich sehe, Sie sind eine Königin, nicht bloß eine Prinzessin«, grinste er und nahm die Schlüssel.
Der erste Koffer war vollgepackt mit zusammengefalteter Kleidung in mustergültiger Ordnung, elegante Kleider, Blusen, Tücher. Der Soldat nahm vorsichtig ein Kleidungsstück nach
dem anderen heraus und legte es auf den Tisch. Als er zu den Seidenunterhosen und Büstenhaltern am Boden des Koffers kam, verlangsamten sich seine Bewegungen, und seine Hände schienen sie zu streicheln. Jasmin hatte das Gefühl, als betastete er ihre Brüste, ihren Bauch, berührte sie an intimen Stellen. Ihre Haut brannte. Diese Finger, die über ihrer Unterwäsche flatterten, verursachten ihr Brechreiz. Am liebsten hätte sie ihre Fingernägel in ihn geschlagen, ihn von den Kleidern weggestoßen, die sonst ihren Körper umhüllten.
Als er den zweiten Koffer
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