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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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auf dem aktuellen Stand, und meine Aussprache ist nicht die beste«, überraschte sie mich in fließendem Hebräisch mit einheimischer Intonation. »Reden wir Englisch!«, verlangte sie dann.
    Der Kellner rückte einen Stuhl zurecht, und sie ließ sich geschmeidig darauf nieder, schloss ihre Beine, streckte den Rücken durch und ließ ihre Schultern wie zwei starre Leibwächter in die Höhe ragen. Sie zog ein Päckchen ausländischer Zigaretten aus ihrer Handtasche und legte sie auf den Tisch, während mich ihre Augen, türkis wie eine Inselbucht, bohrend anstarrten.

    Der Kellner stellte sofort die Wasserkaraffe und Gläser auf den Tisch, schenkte zuerst ihr statt ihrem Vater ein, blieb auf die Bestellung wartend stehen und betrachtete sie mit bewunderndem Blick. Ich gestehe ohne Scham, dass ich völlig fassungslos war. Um meine Aufregung zu verbergen, begann ich mich mit meinem Wasserglas zu beschäftigen. Ihre verhaltene Trauer rührte an mein Herz, weckte zärtliche Gefühle, den Wunsch, sie zu streicheln, ein Lächeln in ihre Augen zu bringen. Der Zweck ihres Kommens war mir völlig entfallen, und statt wie ein Mann über das zu reden, was in dem Moment auf der Tagesordnung stand, war ich sprachlos wie ein verwirrter Knabe. Abu George sah, dass ich schwieg, trank einen Schluck aus dem Wasserglas, das er sich selbst eingeschenkt hatte, räusperte sich, zog die Gebetskette aus seiner Tasche und begann, sie zwischen den Fingern zu rollen.
    Aus dem peinlichen Schweigen erlöste uns für einen Augenblick der Kellner, der ihr Limonade servierte und uns schwarzen Kaffee in weißen, mit Goldrand verzierten Porzellantässchen. Dem Kaffee entströmte ein intensiver Duft, und seine tiefbraune Farbe glich der ihres Haars. Ich atmete genießerisch das Kaffeearoma ein und hob den Kopf, um sie anzusehen. Ihr Blick ließ mich erstarren. Abu George trank maßvoll Schlückchen um Schlückchen, und als ich weiter schwieg, stürzte er das Tässchen auf den kleinen Unterteller, wartete einen Moment, bis der Kaffeesatz geronnen war, und reichte mir das Ganze. Ich drehte und drehte das Tässchen mit ernstem Gesicht.
    »Können Sie die Zukunft lesen?«, fragte Jasmin, immer noch mit dem gleichen spöttischen Unterton.
    »Wollte Gott, ich könnte es«, antwortete ich.
    Sie blickte sich um, die vollen Lippen fest geschlossen, riss die Zigarettenpackung auf, zog eine schlanke Zigarette heraus und bot mir entgegen allen Höflichkeitsregeln keine an. Der Kellner tauchte schlagartig wieder auf und beeilte sich mit höchster Zuvorkommenheit, ihr Feuer zu geben. Hatte er sich denn um keine anderen Kunden zu kümmern? Sie warf einen Blick auf die
Schlagzeile der al-Quds , die die über Dschenin verhängte Ausgangssperre verkündete.
    »Haben Sie schon wieder eine Sperre über unschuldige Menschen verhängt?«, griff sie mich an.
    Ich strich über die dicken Koteletten, die damals, dem Geschmack der Zeit entsprechend, mein Gesicht zierten, und rang mit mir, was ich antworten sollte.
    »Meine Tochter, das ist die Armee, nicht er«, sagte Abu George, und ein Reizhusten überfiel ihn.
    »Ist das nicht dieselbe Regierung?«
    Ich antwortete nicht. Ihr Gesicht war hell, ein wenig länglich, und in ihrem Blick lag eine Mischung aus Verachtung und Verlegenheit. Sie strich ihre Bluse glatt, und ihre Augen blieben an dem Glasaschenbecher in der Mitte des Tisches hängen. Der Kellner tauchte wieder wie von Zauberhand auf, nahm den Aschenbecher und tauschte ihn gegen einen neuen aus. Es schien, als belästige sie seine Anwesenheit, denn sie setzte ihre Sonnebrille auf und wandte das Gesicht ab. Ihr rechter Fuß wippte ruhelos.
    »Das Jugenddorf, zu dem wir gehen, ist eines der besten seiner Art im Lande. Fachleute aus verschiedenen Ländern bilden sich dort weiter, ein Teil davon befasst sich auch mit wissenschaftlicher Forschung«, kam ich endlich zum Zweck unseres Treffens.
    Abu George nickte und fügte hinzu: »Jasmin hat noch nichts entschieden, sie möchte es nur sehen.« Vielen Dank, sagte ich im Stillen und begann, leisen Verdruss gegenüber dieser Prinzessin zu verspüren.
    Er blickte auf die Uhr, holte rief Luft und machte dem Kellner ein Zeichen.
    »Ich zahle«, sagte ich
    »Das ist bei uns nicht üblich«, lächelte er und legte einen Geldschein auf den Tisch.
     
    Abu George machte es sich auf dem gepolsterten Fahrersitz seines Dodge bequem und schaltete das Radio ein. Die Stimme von
Feiruz erfüllte den Wagen, laut und jubelnd, trabte wie ein

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