Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
danke, Nuri, das war ein sehr interessanter Besuch, und die Kinder gehen einem zu Herzen«, sagte Abu George, als ich ins Auto stieg. Jasmin schwieg.
    »Was hatten Sie für einen Eindruck?«, fragte ich sie.
    »Sie sind Fachleute«, antwortete sie und zog sich sofort wieder in sich selbst zurück.
    Abu George wollte nach Kiriat Jovel hineinfahren, um die Wohnsiedlungen für die Immigranten anzuschauen, die ihm von weitem einfach nur wie Würfel erschienen, und er war von der
Bauweise und den öffentlichen Einrichtungen in dem vor Leben strotzenden Viertel beeindruckt.
    »Vielleicht fahren wir in Talbieh vorbei«, schlug er vor. Jasmin erstarrte. »Nur für einen flüchtigen Blick«, fügte er hastig hinzu. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, ungerührt von seiner Bitte. »Nur kurz sehen, bloß einen Moment«, drängte er, und in seiner Stimme lag das Flehen, es ihm nicht zu verweigern.
    Innerhalb weniger Minuten waren wir in Talbieh. Abu George hielt neben einer Villa, stieg aus dem Wagen, ließ aber den Motor laufen. Da stand ihr Haus, stolz und schön und hoch, als sei die Zeit stehen geblieben. Guter Jerusalemer Stein, sah immer wie neu aus. Nur das Geräusch der Palmenwedel im Wind hörte sich anders, entfernter an, und in der Tat, die Palme war hoch aufgeschossen, wie ein Junge, der zum Mann geworden war.
    Abu George näherte sich dem Haus ganz langsam. Ich sah, wie er die Eingangstür mit den Schnitzereien betrachtete, die Verbindung zwischen Mauer und Türsturz prüfte, eine Stelle, wo der Putz aufgeplatzt war. »Hier war eine Keramikfliese mit der Aufschrift ›Haus Hilmi‹ in Arabisch und Englisch angebracht. Wo ist sie?«, und er suchte überall an der Mauer und fand nichts. Er streichelte über die Tür. »Mein Vater hat diese Tür und die Fenster mit eigenen Händen angefertigt, wie viel Liebe er hier investiert hat.«
    Die Hilmi-Villa war ein zweigeschossiges Eckhaus, umgeben von einem großen Garten ohne Einzäunung, wie eine Einladung für Gäste. Auf den ersten Blick hatte sie nichts Besonderes an sich. Einfach ein hübsches, stimmungsvolles Haus, das als Wohnraum für Menschen gestaltet worden war und nicht, um irgendeinen Eindruck zu schinden. Die große, geschnitzte Eingangstür glänzte in hellem Braun und zog meinen Blick auf sich, ebenso wie der halbrunde, von einem Geländer aus Steinsäulen umgebene Balkon im ersten Stockwerk.
    Jasmin kam nicht näher und sagte kein Wort. Sie stand in einiger
Entfernung, verharrte wie festgenagelt auf ihrem Platz, die Augen auf ihr Geburtshaus geheftet.
    Abu George machte auf dem Absatz kehrt und stieg mit gerötetem Gesicht wieder ins Auto. Ich warf einen Blick auf die Villa, neben der wir parkten. Ihre Fassade war mit einem bunten Mosaik verziert, umhüllt von einem Schleier dicht gedrängter Bäume, deren Wipfel über die hohe Steinmauer spitzten. In der Tat eine prächtige Villa, aber kein Haus der Träume, um darin zu leben, wie das schlicht gebaute Nachbarhaus.
    »Ihr habt viel gebaut, sehr viel, wie habt ihr das geschafft?«, fragte Abu George, als wir weiterfuhren. »Mein Vater, Allah erbarme sich seiner, war ein Holzhändler. Er hat Jasmin ein Spiel aus Holzwürfeln gemacht, ein Modell des Hilmi-Hauses. Es freute ihn zu sehen, wie sie es zerlegte und wieder zusammensetzte, das ganze Haus von oben bis unten neu baute«, erzählte er mir und warf seiner Tochter einen zärtlichen Blick zu, die distanziert und abwehrend dasaß, sich dem Wiedersehen mit dem Haus ihrer Kindheit verweigerte.
    »Hier wurde Jasmin geboren«, fuhr er fort, »eine jüdische Frau hat ihr auf die Welt geholfen, Frau Breilovsky, die bekannteste Hebamme von Jerusalem.«
    »Mich und meinen älteren Bruder Kabi hat unsere muslimische Nachbarin gestillt, so wie meine Mutter ihren Sohn Ismail stillte«, sagte ich.
    »Das waren noch Zeiten«, erwiderte er.
    »Man hat das Haus nicht gut instand gehalten«, sagte Jasmin plötzlich.
    »Meinen Sie, man ließe uns hineingehen?«, fragte Abu George.
    »Zuerst sollten wir überprüfen, wem es gehört …«
    »Was heißt das, wem es gehört?«, unterbrach mich Jasmin scharf.
    »Wir hatten einen Perserteppich im Wohnzimmer«, sagte Abu George schnell, »jede Faser eine besondere Farbe, und alle zusammen - eine Symphonie. Ich habe die ganze Welt auf den Kopf
gestellt, doch ich fand nie wieder einen solchen Teppich. 48 sind wir überstürzt auf und davon, haben alles zurückgelassen, wir dachten, wir kämen innerhalb von zwei bis drei Tagen wieder

Weitere Kostenlose Bücher