Jasmin - Roman
mich einen »schöngeistigen Eroberer«, den Sicherheitsminister Dajan bezeichnete sie als »Kriegscasanova« und behauptete sogar, Umm Kulthum sei »eine israelische Agentin, deren Lieder die Massen einlullen« und äußerte weitere giftige Bemerkungen dieser Art. Auch ich geriet schließlich in Rage. Die Worte »Feind«, »Besatzung«, »Vertreibung« brachten mich auf, und noch wütender wurde ich auf mich selbst, über die Bedeutung, die ich ihrem Zorn beimaß, über meinen Ehrgeiz, ihre Erbitterung zu besänftigen, und darüber, dass ich es in meiner Einfalt für richtig gehalten hatte, ihr das Gedicht »Palästina« von Chamutal Bar Josef vorzulesen:
In diesem schmalen Bett
neben der Bitumenmauer voller Mulden,
Hohlräume für Spinnen und Geckos,
fall ich ins Meer, dreh ich mich um.
In diesem schmalen, harten Bett -
kamst du, um mich zu kosen, mein Liebster,
oder um meinen Kopf
und den Kopf meiner Babys an die Klagemauer zu schmettern?
»Wem gehört dieses schmale Bett?«, fiel Jasmin über mich her. »Wenn die Überschrift ›Israel‹ gewesen wäre, könnte ich es verstehen, aber ein solches Gedicht ›Palästina‹ zu nennen?!«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr, weder Sie noch das Gedicht.«
»Vielleicht verstehen Sie, wenn ich Ihnen ein Beispiel gebe: Ein Mann machte sich auf den Weg, ritt auf seinem Esel. Unterwegs sah er einen müden Wanderer, hatte Mitleid mit ihm und bot ihm an aufzusteigen. Sie ritten zusammen ein Stück des Weges, und der Wanderbursche sagte: ›Dein Esel ist hervorragend, trägt uns beide wunderbar.‹ ›Vielen Dank‹, antwortete der Mann, ›ich bemühe mich, ihn zu hegen und zu pflegen.‹ Sie ritten noch ein Stückchen und der Bursche sagte: ›Wallah, das ist ein wirklich guter Esel.‹ ›Danke‹, erwiderte der Mann, ›ich achte auf sein Futter und seine Rastpausen, und alhamdulillah, er dankt es mir.‹ Sie ritten wieder ein Stück, und der Wanderbursche sagte: ›Unser Esel ist jedes Lobes würdig.‹ Da hielt der Eselbesitzer an und sagte: ›Bis hierher und nicht weiter, mein Herr, seien Sie so gut und steigen Sie von dem Esel ab.‹ ›Warum?‹, wunderte sich der Bursche. ›Wenn Sie anfangen zu sagen, der Esel sei der unsere, ist es besser, Sie steigen jetzt ab, bevor Sie sagen werden, der Esel gehöre Ihnen.‹«
»Ein schönes, drastisches Beispiel. Und jetzt, anstatt uns mit Vergleichen und Vertreibungen zu befassen, wechseln wir vielleicht einmal das Thema? Michelle hat mir gesagt, dass Sie morgen bei ihr zu arbeiten anfangen.«
»Sie und Michelle, ein unzertrennliches Pärchen.« Sie kräuselte ihre Lippen. »Zwei Arme einer Greifzange, die mich zu packen versucht.«
»Manchmal glaube ich, Sie sehen einen Teufel in mir, der Ihnen schaden will.«
»Habe ich Sie verletzt?«, fragte sie plötzlich sanft. Sofort suchten meine Augen ihren Blick und streichelten ihr Gesicht. Jasmin nahm die Kanne kalten Wassers auf dem Tisch, füllte langsam die zwei leeren Gläser und hob ihre glasklaren Augen zu mir: »Vielleicht können Sie mich morgen früh zu dem Jugenddorf begleiten. Mir dreht sich der Magen dabei um, dass ich mein Praktikum bei euch machen werde.«
19.
EIN MORGEN MIT JASMIN
Heute würde ich Jasmin treffen. Welch ein Morgen! Ich kam zu früh ins al-Hurrije, wo ich sie und ihren Vater abholen sollte. Abu George war bereits an seinem Platz. »Erinnern Sie sich, dass wir heute eine Verabredung mit Professor Schadmi haben, um mit ihm zu dem Antiquitätenhändler zu gehen?«, fragte ich.
»Natürlich, wie könnte ich unseren Abu Mahmad vergessen?«
»Wann treffen wir uns?«
»Um halb zwölf Uhr brechen wir von hier auf.«
Jasmin trat genau zur vereinbarten Zeit ein, strahlend schön in einer auberginefarbenen Bluse und schwarzen Hosen, doch sie wirkte angespannt.
»Haben wir noch Zeit, um Kaffee zu trinken?«, fragte sie.
»Wir fahren besser. Michelle ist pedantisch. Wollen Sie hinter mir herfahren?«
»Ich werde mit Ihnen fahren und zurück ein Taxi nehmen.«
»Ich hatte eigentlich vor, ein bisschen dortzubleiben, aber es wartet ein voller Tag auf mich, und ich muss noch meine Hausaufgaben für den Termin mit eurem Bischof Karatschi machen«, sagte ich, als wir ins Auto einstiegen, »kennen Sie ihn?«
»Bischof Karatschi? Er hat mich in der schweren Zeit nach dem Tod meines Mannes Azmi unterstützt.« Sie seufzte, ihre Brust hob sich unter der violetten Bluse. »Wenn man den Tod sieht, wird das Schwarze noch schwärzer.« Ich schlug die
Weitere Kostenlose Bücher