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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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mit Hackfleisch überbacken und natürlich eine ganze Palette an Eingelegtem - Gurken, Auberginen, Lubiabohnen und Bamia, scharfe Oliven, grün und schwarz, eine Fülle von Farben und Gerüchen ohnegleichen.
    Die Unterhaltung floss angeregt und entspannt dahin. Professor Schadmi und Dr. Dovrat dozierten über ferne Zeiten, über das Enstehen der Mythen von Moses, Jesus und Muhammad und sprachen über das Einigende und Trennende zwischen den Religionen.
    Danach gingen die Anwesenden zu einer Analyse der Mandatszeit über, einer Epoche, die auf viel Interesse stieß, und ich wurde vom Wandel in ihrer Auffassung überrascht. Früher hatten sie das britische Mandat als kolonialistische Fremdherrschaft betrachtet, die in das Land eingedrungen war und es im Würgegriff gehalten hatte, bis man sie verjagt hatte. Aber nun sahen sie das Mandat mit anderen Augen, als ordnendes, sogar aufgeklärtes Regime, das Lebensmuster festlegte, Gesetze und Regeln aufstellte und sogar für Kultur und Ästhetik sorgte, zum Beispiel durch die Verpflichtung, in Jerusalem nur Steinhäuser zu bauen. Würden die Araber diese Auffassung auch von uns einmal haben, würden wir für sie ein aufgeklärtes, fortschrittliches Regime sein können und nicht eine fremde Besatzungsmacht?

    Abu Nabil und Abu Schilbaje bemühten sich, das Gespräch auf die gegenwärtige Situation zu bringen, vor allem Letzterer, der die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf eine Reihe seiner Artikel zugunsten der Errichtung eines palästinensischen Staates im Austausch für die besetzten Gebiete lenkte. Wir, die Vertreter der Regierungsmacht, reagierten nicht, vermieden es, Aktuelles zu berühren.
    Abu George tat es uns gleich und erzählte lieber von dem Konkordanzwerk Professor Schadmis an der alten Jerusalemer Giv’at-Ram-Universität und den alten Schriften, die dort in der Nationalbibliothek lagerten. Gleich danach sprach Abu Nabil, und ich befürchtete, dass er wieder versuchen würde, Professor Schadmi mit Spitzfindigkeiten anzuschießen, doch diesmal tauschte er den scharfen, rohen Spott mit Wohlwollen, in dem ein gewisser Respekt mitklang. Er erzählte, dass kürzlich jahrhundertealte Thorarollen gefunden worden seien, die streng bewacht würden, und schlug vor, »selbstredend«, seine guten Beziehungen auszunutzen, damit »unser Abu Mahmad«, womit Professor Schadmi gemeint war, sie selbst untersuchen könne.
    Inzwischen stand ein riesiges Tablett vor uns mit einem dampfenden Ofenlammbraten. Der Bedienstete ergriff ein großes Messer und schnitt ihn der Länge nach durch, der Akt eines Künstlers, holte die Zunge heraus und legte sie auf einen besonderen Teller, auf ein Bett gehackter Petersilie, neben den Gastgeber. Abu George erhob sich, trat mit dem Teller in der Hand zu mir, teilte ein Stück ab und sagte: »Mein Bruder Nuri, nach unserem Brauch füttert der Hausherr den Ehrengast mit der Zunge des Schafes«, und steckte sie mir eigenhändig in den Mund.
    Diese Zeremonie war mir vollkommen fremd, und ich hatte das Gefühl, dass mir die Zunge im Hals stecken blieb, doch die Freude auf dem Gesicht meines Gastgebers milderte den Schock. Beruhige dich, Freund, du bist jetzt ein Gast, dem eine Ehrenbezeugung zuteil wird. Jasmins Augen lächelten mir mit ausgelassener
Boshaftigkeit zu, und ich schluckte das Zungenstück wie jemand, der eine Prüfung zu bestehen hat, spürte, wie Röte mein Gesicht überzog.
    Abu George kehrte auf seinen Platz zurück, und die Kellner servierten den Gästen den Fleischgang. Pe’era überwachte den Professor, damit er seine Diät einhielt, allerdings ohne Erfolg. Danach wurden die Früchte gereicht, darunter Feigen und Melonen, anschließend süßes Gebäck und schwarzer Kaffee.
    Um Mitternacht, als wir uns im Aufbruch befanden, sagte Professor Schadmi zu unserem Gastgeber: »Mein teurer Abu George, ich fahre in Kürze zur Bir-Zeit-Universität, und ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Ich will dort nicht mit leeren Händen hinkommen. Könnten Sie mich begleiten bei der Suche nach einem schönen Geschenk für die Gastgeber, vielleicht ein antiker Tonkrug?«
    »Was würde man nicht für Abu Mahmad tun?«
     
    Zu meinem Kummer war Jasmins ausgelassenes Lächeln bei jenem Essen großem Zorn gewichen, als wir uns einige Tage später im al-Hurrije trafen, wobei ich mir den Grund nicht erklären konnte. All meine Versuche, eine angenehme Unterhaltung zu führen, halfen nichts, ein Wort gab das andere, bis es zum Streit kam. Sie nannte

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