Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
stattdessen waren die letzten Tage trotz der unvermeidlichen Nachtwachen eher wie ein Urlaub mit einem guten Freund gewesen. Sollte ihnen wirklich Kalil in die Falle gehen, so würde er das Aufeinandertreffen der Brüder als unerwartete Unterhaltung genießen, sich allerdings hüten, für eine Seite Partei zu ergreifen. Er mochte beide und war dankbar, dass sie eng befreundet waren. Eigentlich hätten sie auf verschiedenen Seiten stehen sollen, aber im Gegensatz zu den traditionellen Taliban war Hamid dank seiner englischen Mutter wesentlich toleranter. In seinem Dorf konnten Christen unbehelligt leben, und er sorgte für das Wohlergehen der Dorfbewohner, wenn auch nicht immer mit legalen Mitteln. Aber in den Bergen des Hindukusch galten andere Gesetze als in einer amerikanischen Großstadt. Selbst als Luc und Hamid sich noch als Gegner gegenübergestanden hatten, waren sie schon respektvoll miteinander umgegangen. Als sie dann Seite an Seite gegen einen gemeinsamen Feind gekämpft hatten, war eine tiefe Freundschaft entstanden, die weder durch Lucs Beruf noch die Tatsache, dass das FBI Hamid suchte, gefährdet wurde.
»Ich bringe ihn um. Dafür muss auch der Prophet Verständnis haben. Tue ich es nicht, treibt er mich in den Wahnsinn, und das kann nicht der Wille Allahs sein.«
»Du beklagst dich wie ein altes Weib.«
Das saß. Hamid wirbelte herum, aber es war nun hell genug, dass Luc das Lachen in seinen Augen erkennen konnte. Hamid richtete einen Zeigefinger wie eine Waffe auf Lucs Brust. »Und wer von uns beiden kannte in den letzten Tagen kein anderes Thema als seinen eigenen Job für die Drogenbehörde und die Probleme seines Bruders?«
Die Retourkutsche war Hamid gelungen, trotzdem winkte Luc lässig ab. »Ich habe nur laut überlegt, aber keineswegs so gejammert wie …«
Hamid unterbrach ihn. »Du kümmerst dich ums Frühstück. Ich bereite den Wagen so vor, dass es aussieht, als ob wir liegen geblieben wären. Egal, wer es ist, derjenige wird an unserem Fahrzeug nicht vorbeikommen und sich etwas überlegen müssen.«
Exakt so wäre Luc auch vorgegangen, bei seinem Plan hätte allerdings Hamid die Zubereitung des Frühstücks übernommen. Er signalisierte seine Zustimmung und holte einige Vorräte aus dem Wagen.
Wenige Minuten später war sein Kaffee fertig und mit einer Grimasse goss er für Hamid heißes Wasser über einige getrocknete Pfefferminzblätter. Dank Ana war Luc seit seiner Kindheit mit den afghanischen Gebräuchen vertraut, nur bei Pfefferminztee zum Frühstück streikte er. Die trockenen Kekse aus der amerikanischen Verpflegung passten hingegen perfekt zu der Mischung aus Honig und Nüssen, die Hamids Frau ihnen mitgegeben hatte. Da sie noch Zeit hatten, nutzte er die Chance, seine Mails zu checken. Er war ehrlich genug, zuzugeben, dass er mehr an einer von Jasmin interessiert war als von Scott, einem seiner Brüder oder seinem Arbeitgeber. So sehr er auch Hamids Gesellschaft genoss, mit Jasmin wäre der Ausflug in die Bergregion etwas ganz Besonderes geworden. Aber da es am Ende der Fahrt gefährlich werden konnte, war er froh, sie in Sicherheit zu wissen. Er hätte sie niemals davon abhalten können, sich an seiner Seite direkt ins Zentrum der Gefahr zu begeben.
Dank der Satellitenverbindung seines Notebooks hatte er uneingeschränkten Zugriff auf seine Mails. Die dienstlichen ignorierte er, stattdessen überflog er grinsend eine von seinem Bruder Rob, der detailliert und facettenreich Jays Auseinandersetzung mit Elizabeth schilderte. Von wegen ungeliebte Vorgesetzte … Er wäre zu gern live dabei gewesen, als Elizabeth erfuhr, wer ihre Eltern waren. Immer noch grinsend, leitete er die Mail an Jasmin weiter und klickte dann auf ihre Mail.
Sein Grinsen vertiefte sich beim Lesen. Jasmin begann mit einer Beschwerde, dass Hamid und nicht sie ihn begleitete, als ob sie ihm das nicht schon im Dorf deutlich gemacht hätte. Es folgte die Ermahnung, vorsichtig zu sein. Nach einigen amüsanten Schilderungen aus dem Dorfleben ließ sie ein paar Andeutungen fallen, was sie mit ihm nach seiner Rückkehr machen würde, so dass er sich besser beeilen sollte. Obwohl sie nicht ins Detail ging, verschluckte er sich fast an seinem Kaffee.
Er revanchierte sich mit einigen schnellen Zeilen und widerstand erfolgreich der Versuchung, sie anzurufen, einfach nur, um ihre Stimme zu hören.
»Wenn du mit deinen Liebesschwüren fertig bist, könnten wir das weitere Vorgehen besprechen.«
Luc ignorierte
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