Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
an der Tür fest und zog sich hoch. Mehr taumelnd als aufrecht gehend, schaffte er es bis zum Kofferraum. Den Blick fest auf die Beifahrerseite gerichtet, nahm er die letzten Meter in Angriff. Dann hatte er die Tür erreicht. Er tastete nach dem Griff. Die Tür bewegte sich nicht. Der Qualm wurde dichter, es war eine Frage von Sekunden, bis der Wagen explodieren würde. Auch der nächste Versuch scheiterte, aber die Tür hatte sich minimal bewegt. Ehe er es erneut probieren konnte, wurde er von hinten an der Schulter gepackt.
»Das übernehmen wir.«
Jay fuhr herum und wäre beinahe zu Boden gestürzt. Ein Rettungswagen stand mit rotierendem Blaulicht hinter seinem zerstörten Wagen. Ein Mann im weißen Anzug stand direkt hinter ihm, ein anderer beugte sich auf der Fahrerseite in den Toyota und holte seine Notebook-Tasche und Elizabeths Rucksack vom Rücksitz. Was sollte das?
Die Hand des Notarzts schoss auf sein Gesicht zu. Seine Abwehrbewegung kam viel zu spät. Er erkannte noch einen silbernen, stiftähnlichen Gegenstand, dann bohrte sich etwas schmerzhaft seitlich in seinen Hals.
Eine unangenehme Wärme breitete sich von der Stelle aus, seine Knie gaben nach und seine Sicht verschwamm. Er spürte kaum noch, dass er mit dem Gesicht auf den Asphalt prallte.
Angst um Elizabeth und die Gewissheit, gegen ihren übermächtigen Gegner verloren zu haben, begleiteten ihn in die Bewusstlosigkeit. Mit seinem letzten klaren Gedanken fragte er sich, ob er jemals wieder aufwachen würde.
Der leise Pfiff reichte, um Luc zu wecken. Sofort war er hellwach und tastete automatisch nach dem Gewehr neben sich. Er hatte es nach seiner letzten Wache vorgezogen, im Freien zu schlafen, statt sich im Wagen zu verrenken, und blickte jetzt direkt in den noch schwarzen Nachthimmel über sich. Vereinzelte graue Schatten zeigten, dass in wenigen Augenblicken die Morgendämmerung einsetzen würde.
Sie befanden sich noch ungefähr eine Stunde von ihrem Ziel entfernt und hatten am Abend beschlossen, sofort nach Sonnenaufgang aufzubrechen. Der Pfiff war nicht mehr als ein leiser Weckruf gewesen. Wären sie in Gefahr gewesen, hätte Hamid ihn anders geweckt. Gähnend richtete Luc sich auf. Hamid war einige Meter entfernt nur als dunkle Silhouette zu erkennen, aber dennoch spürte Luc die Anspannung seines Freundes.
Rasch ging er zu ihm und starrte angestrengt in die gleiche Richtung wie Hamid, konnte jedoch nichts Auffälliges erkennen. Er wollte gerade nachfragen, als für einen Sekundenbruchteil in der Ferne ein Licht aufblitzte, das keine natürliche Ursache haben konnte.
»Verdammt«, entfuhr es ihm. Damit hatte sich ihr Verdacht vom Vortag, dass sie nicht alleine in der abgelegenen Bergregion unterwegs waren, bestätigt.
»Vor gut fünf Minuten war es deutlicher zu erkennen. Ich tippe auf zwei Fahrzeuge. Das ist nicht gut.«
Hamids Einschätzung war die Untertreibung des Jahres. Dicht vor ihnen lag vermutlich das Hauptquartier der Drogenschmuggler und hinter ihnen befand sich eine unbekannte Anzahl Verfolger.
Es wurde zunehmend heller und Luc betrachtete abschätzend den Pfad, der zu ihrem Rastplatz führte. »Einen anderen Weg als diesen gibt es nicht. Wir sollten ihnen einen herzlichen Empfang bereiten und uns freundlich nach ihren Absichten erkundigen.«
»Genau das hatte ich vor, mein Freund. Ich hoffe für sie, dass sie Feinde sind. Die Alternative würde zu einem wahren Erdbeben führen.«
Mit Mühe verkniff sich Luc ein lautes Lachen, das Hamid vermutlich zur Explosion gebracht hätte. Am Vortag hatten sie einige Male ein verräterisches Aufblitzen weit hinter ihnen bemerkt. Da dieser Bergpfad kaum bekannt war, nur von geländegängigen Fahrzeugen befahrbar werden konnte, und Luc ausschloss, dass jemand von seinen Plänen erfahren hatte, blieben nicht viele Möglichkeiten. Die wahrscheinlichste war, dass Hamids hitzköpfiger Bruder Kalil ihnen heimlich gefolgt war, vermutlich, um ihnen zu helfen. So gut seine Absichten auch sein mochten, hatten sie doch in der Vergangenheit oft genug katastrophale Auswirkungen gehabt.
Wahrscheinlich wäre es besser, wenn sie von Taliban verfolgt wurden, die es auf ihren Wagen und ihre Ausrüstung abgesehen hatten.
Luc konnte nicht widerstehen, Hamid zu ärgern. »Du weißt, was der Koran und die Bibel zu Brudermord sagen?« Hamids Blick war geeignet, einen Mann zum Zurückweichen zu bringen, aber Luc grinste nur. Er hatte mit tagelangen, einsamen Fahrten durch die Berge gerechnet,
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