Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
die süffisante Anspielung. Vermutlich hatte Hamid die letzte Stunde seiner Wachzeit genutzt, um seiner eigenen Frau zu mailen oder mit ihr zu telefonieren, da er und Alima ebenfalls jede Gelegenheit zur Kommunikation nutzten.
»Hast du Alima gefragt, ob Kalil nach uns aufgebrochen ist?«
»Natürlich.«
Luc verkniff sich bei dem knappen Kommentar ein Grinsen. »Lass mich raten, der gefürchtete Anführer der Taliban hat es nicht geschafft, seiner Frau eine vernünftige Antwort zu entlocken.«
»Die US Navy wird bald einen bedauerlichen Verlust zu beklagen haben, wenn du dich nicht zurückhältst. Ich hoffe wirklich, dass wir uns in ungefähr einer Stunde mit Dieben ein heftiges Feuergefecht um unsere Ausrüstung liefern. Vielleicht hat Kalil meine Abwesenheit auch für einen Abstecher nach Kunduz genutzt. Er weiß, was ich davon halte, wenn er sich in der Nähe der Truppen herumtreibt.«
Luc wurde schlagartig ernst. »Ich wünschte, ich könnte die Jagd auf euch abblasen. Du hast uns und auch den Deutschen oft genug geholfen. Die Fahndung nach euch ist ein fieser Dank dafür.«
Hamid legte ihm eine Hand auf den Rücken. »Das steht nicht in deiner Macht, Luc, und du hast genug für uns getan. Alleine dass Mouna und ihre Eltern wieder lachen gelernt haben, bedeutet mir viel. Ohne eure Hilfe hätte Murat sein Bein verloren, stattdessen hat er bei deiner Familie ein neues Zuhause und Freunde gefunden.«
Eine halbe Stunde später waren die Spuren ihres Aufenthalts verschwunden. Der Wagen stand quer auf dem Pfad, und Hamid und Luc hatten die perfekten Positionen gefunden, um aus der Deckung der Felsen heraus ihre Verfolger in die Zange zu nehmen. Derartig aufgestellt konnten sie es mühelos auch mit einer größeren Anzahl Gegner aufnehmen.
Luc konnte von seinem Standort aus Hamid sehen und musste ein Schmunzeln unterdrücken. Ebenso wie er selbst war Hamid mit T-Shirt und Tarnhose in verschiedenen Brauntönen bekleidet. Seine Pistole trug er im Oberschenkelhalfter und statt der in Afghanistan allgegenwärtigen AK-47 nutzte er ein Gewehr aus amerikanischer Produktion, von dem Luc nicht wissen wollte, wie es in die Hände seines Freundes geraten war. Der einzige Unterschied zwischen ihnen war die schusssichere Weste mit ihren zahlreichen Taschen, die zu Lucs Ausrüstung gehörte.
Der Gegensatz zwischen Hamid und den traditionellen Taliban mit ihren weiten Hemden und Hosen war nicht nur in Bezug auf die Überzeugungen, sondern auch in jeder sonstigen Beziehung enorm. Wenn es mehr Männer wie Hamid und Kalil geben würde, wäre das Land einen Riesenschritt weiter. Stattdessen verhinderten Korruption und Extremisten, dass für die Bewohner endlich Ruhe und Frieden einkehrten.
Luc schüttelte den Kopf, um die Überlegungen zu beenden. Hamids Dorf lag weit genug von den Städten entfernt, um keine Begehrlichkeiten bei anderen Warlords zu wecken. Dennoch vollführte sein Freund einen gefährlichen Balanceakt, aber das war ihnen allen klar.
Mittlerweile konnte er mit bloßem Auge erkennen, dass sich ihrem Standort eine Staubwolke näherte. In wenigen Minuten würden sie erfahren, wer ihnen folgte. Hamid behielt recht, zwei Jeeps fuhren auf sie zu, stoppten aber direkt hinter der Kurve, als sie das angeblich havarierte Fahrzeug erblickten. Dann kam der erste langsam näher, während der andere seine Warteposition beibehielt. Nicht schlecht, exakt so wäre Luc auch vorgegangen, denn er und Hamid wären dadurch ins Hintertreffen geraten – wenn sie sich nicht entsprechend vorbereitet hätten.
Luc wartete, bis der Jeep stoppte. Die Insassen trugen Kuffiyas, die traditionellen Kopftücher, die einen Großteil der Gesichter verhüllten, sodass er nicht erkennen konnte, ob Kalil zu ihnen gehörte. Hamid schien ebenfalls unsicher zu sein. Mit der geballten Faust gab er Luc das Zeichen, wie vereinbart fortzufahren. Das würde laut und staubig werden.
Luc drückte auf den Auslöser und hinter der Kurve ging ein Sprengsatz hoch. Staub stieg wie eine undurchdringliche Nebelwand auf und verhinderte, dass die Wartenden erkennen konnten, was hier geschah. Wie erwartet sprangen die Insassen aus dem Wagen und konzentrierten sich darauf, was hinter ihnen passierte. Luc und Hamid feuerten einige Warnschüsse ab, die direkt hinter ihnen Sand und kleine Felsbrocken aufwirbelten. Der vermeintliche Beschuss aus zwei unterschiedlichen Richtungen reichte, um für Verwirrung zu sorgen. Drei Männer hielten zwar ihre Waffen in der Hand,
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