J.D.SALINGER Neun Erzählungen
Eloise.
»Was ist mit Jimmy passiert?«, sagte Eloise zu ihr.
»Er ist überfahrt und getötet worden. Ich hab Skipper mit einem Knochen gesehen, und er hat ihn nicht – «
»Zeig mir mal deine Stirn«, sagte Eloise. Sie legte Ramona die Hand auf die Stirn. »Du scheinst mir ein bisschen fiebrig zu sein. Sag Grace, du sollst oben essen. Danach gehst du sofort ins Bett. Ich komme später hoch. Und nun geh, bitte. Nimm die mit .«
Ramona stapfte langsam mit Riesenschritten aus dem Zimmer.
»Wirf mir eine rüber«, sagte Eloise zu Mary Jane. »Trinken wir noch einen.«
Mary Jane brachte Eloise eine Zigarette. »Ist das nicht toll? Das mit Jimmy? So eine Fantasie!«
»Mm. Du besorgst die Drinks, ja? Und bring die Flasche mit … ich will da jetzt nicht hin. Da riecht’s überall nach Orangensaft, verdammt.«
Um fünf nach sieben klingelte das Telefon. Eloise erhob sich von der Fensterbank und tastete im Dunkeln nach ihren Schuhen. Sie fand sie nicht. Auf Strümpfen ging sie ruhig, fast träge zum Telefon. Mary Jane, die mit dem Gesicht nach unten auf der Couch schlief, störte das Klingeln nicht.
»Hallo«, sagte Eloise in den Hörer, ohne das Deckenlicht angemacht zu haben. »Hör zu, ich kann dich nicht abholen. Mary Jane ist hier. Sie hat ihren Wagen direkt vor mir abgestellt, und sie findet den Schlüssel nicht. Ich kann nicht raus. Wir haben rund zwanzig Minuten damit verbracht, ihn in dem Dingsda zu suchen – im Schnee und so Zeug. Vielleicht können dich ja Dick und Mildred mitnehmen .«
S ie horchte. »Oh. Na, das ist hart, mein Junge. Bildet doch einfach einen Trupp und marschiert nach Hause. Du kannst ja dieses Hopp - h opp - k lopp - k lopp - Ding sagen. Du kannst der große Zampano sein .«
W ieder horchte sie. »Ich bin nicht komisch«, sagte sie. »Ehrlich nicht. Ich sehe nur so aus .« S ie legte auf.
Weniger sicher ging sie ins Wohnzimmer zurück. An der Fensterbank goss sie sich den Rest Scotch ins Glas. Ungefähr fingerhoch. Sie trank ihn aus, schüttelte sich und setzte sich hin.
Als Grace im Esszimmer Licht machte, schrak Eloise zusammen. Ohne aufzustehen, rief sie Grace zu: »Servieren Sie lieber nicht vor acht, Grace. Mr Wengler verspätet sich ein wenig.«
Grace erschien im Esszimmerlicht, kam aber nicht näher. »Die Dame gehen?«, sagte sie.
»Sie ruht sich aus.«
»Oh«, sagte Grace. »Mis Wengler, ich wollt fragen, ob mein Mann den Abend heut hier verbringen kann. In meinem Zimmer ist viel Platz, und er muss erst morgen früh wieder in New York sein, und draußen isses so schlimm .«
»Ihr Mann? Wo ist er?«
»Na, im Moment«, sagte Grace, »ist er in der Küche.«
»Also, leider kann er hier nicht übernachten, Grace.«
»Ma’am?«
»Ich sagte, leider kann er hier nicht übernachten. Das ist hier kein Hotel.«
Grace blieb noch einen Augenblick stehen, dann sagte sie »Ja, Ma’am« und ging in die Küche.
Eloise verließ das Wohnzimmer und ging die Treppe hinauf, die vom Lichtschein aus dem Esszimmer sehr schwach erhellt war. Auf dem Treppenabsatz lag eine von Ramonas Galoschen. Eloise hob sie auf und warf sie, so kräftig sie konnte, übers Geländer; mit einem heftigen Knall schlug sie auf dem Dielenboden auf.
In Ramonas Zimmer knipste sie das Licht an und hielt, wie zur Stütze, den Lichtschalter fest. Eine Weile stand sie still da und betrachtete Ramona. Dann ließ sie den Lichtschalter los und ging schnell zum Bett.
»Ramona. Wach auf. Wach auf .«
Ramona schlief am äußersten Rand des Bettes, ihre rechte Pobacke ragte darüber hinaus. Ihre Brille lag, säuberlich zusammengeklappt und mit den Bügeln nach unten, auf einem kleinen Donald - Duck - Nachttischchen.
»Ramona!«
Das Kind erwachte und sog scharf die Luft ein. Es schlug die Augen weit auf, kniff sie aber gleich wieder zusammen. »Mama?«
»Ich dachte, du hättest mir erzählt, Jimmy Jimmereeno sei überfahren und getötet worden.«
»Was?«
»Du hast mich doch verstanden«, sagte Eloise. »Warum schläfst du so weit am Rand?«
»Weil«, sagte Ramona.
»Weil warum? Ramona, ich habe keine Lust – «
»Weil ich Mickey nicht wehtun will.«
»Wem?«
»Mickey«, sagte Ramona und rieb sich die Nase. »Mickey Mickeranno.«
Eloise erhob kreischend die Stimme. »Du legst dich in die Mitte dieses Betts. Los .«
Ramona, zutiefst verängstigt, schaute einfach nur zu Eloise auf.
»Na schön .«
E loise packte Ramona an den Knöcheln, und halb hob, halb zerrte sie sie in die Bettmitte. Ramona
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