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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Menge und Art von Tieren an: Hunden, weißen Mäusen, Adlern, Löwen, Königsboas, Wölfen. Zudem nahm er dann auch die Maske ab und sprach mit ihnen, leise, melodiös, in ihren Sprachen. Sie fanden ihn nicht hässlich.
    (Der Häuptling brauchte zwei Monate, um mit der Geschichte bis dahin zu kommen. Von da an wurde er mit seinen Folgen, zur vollsten Zufriedenheit der Komantschen, immer eigenwilliger.)
    Der lachende Mann hielt immer gern die Ohren offen , und so hatte er in Windeseile die wertvollsten Betriebsgeheimnisse der Banditen aufgeschnappt. Doch er gab nicht viel darauf und baute sich rasch ein eigenes, effizienteres System auf. Er arbeitete, zunächst in ziemlich kleinem Rahmen, freischaffend auf dem chinesischen Land, raubte, entführte und mordete, wenn es unbedingt nötig war. Schon bald trugen ihm seine genialen kriminellen Methoden, gepaart mit seiner einzigartigen Liebe zum Fairplay, einen warmen Platz im Herzen der Nation ein. Merkwürdigerweise bekamen seine Pflegeeltern (die Banditen, die ihm ursprünglich den Weg zum Verbrechen gewiesen hatten) ungefähr als Letzte von seinen Taten Wind. Und dann waren sie wahnsinnig eifersüchtig. Im Gänsemarsch zogen sie eines Nachts in dem Glauben, sie hätten ihn erfolgreich in Tiefschlaf narkotisiert, am Bett des lachenden Mannes vorbei und hieben mit ihren Macheten auf die Gestalt unter der Decke ein. Ihr Opfer erwies sich als die Mutter des Banditenhäuptlings – eine unangenehme, keifende Person. Der Vorfall ließ die Banditen nur noch mehr nach dem Blut des lachenden Mannes lechzen, sodass er sich schließlich gezwungen sah, den ganzen Haufen in ein tiefes, aber freundlich ausgestaltetes Mausoleum zu sperren. Hin und wieder brachen sie aus und bereiteten ihm gewissen Arger, doch er weigerte sich, sie zu töten. (Diese mitfühlende Seite im Wesen des lachenden Mannes trieb mich praktisch in den Wahnsinn.)
    Schon bald überquerte der lachende Mann regelmäßig die chinesische Grenze nach Paris, Frankreich, wo er immer gern mit seinem großen, aber bescheidenen Genie gegenüber Marcel Dufarge protzte, dem international berühmten Detektiv und geistreichen Schwindsüchtigen. Dufarge und seine Tochter (ein reizendes Mädchen, allerdings auch so etwas wie eine Transvestitin) wurden die er b ittertsten Feinde des lachenden Mannes. Immer wieder versuchten sie, ihn aufs Glatteis zu führen. Spaßeshalber ging der lachende Mann ein Stück darauf ein und verschwand dann, häufig auch ohne den leisesten glaubhaften Hinweis auf seine Fluchtmethode zurückzulassen. Nur gelegentlich brachte er einen scharfzüngigen kleinen Abschiedszettel in der Pariser Kanalisation an, der dann prompt zu Dufarges Stiefel gelangte. Die Dufarges verbrachten eine gewaltige Menge Zeit damit, in den Pariser Abwasserkanälen herumzuplatschen.
    Bald hatte der lachende Mann das größte Privatvermögen der Welt angehäuft. Das meiste davon spendete er anonym den Mönchen eines örtlichen Klosters – bescheidenen Asketen, die ihr Leben der Aufzucht deutscher Polizeihunde verschrieben hatten. Was von seinem Vermögen übrig war, tauschte der lachende Mann in Diamanten um, die er beiläufig in Smaragdgruften im Schwarzen Meer versenkte. Seine persönlichen Bedürfnisse waren gering. Er lebte ausschließlich von Reis und Adlerblut in einem winzigen Häuschen mit unterirdischer Turnhalle und Schießstand an der stürmischen Küste Tibets. Bei ihm lebten vier ihm blind ergebene Komplizen: ein zungenfertiger Timberwolf namens Black Wing, ein liebenswerter Zwerg namens Omba, ein riesiger Mongole namens Hong, dem die Zunge von Weißen ausgebrannt worden war, und eine hinreißende Eurasierin, die aus unerwiderter Liebe zu dem lachenden Mann und tiefer Sorge um seine persönliche Sicherheit zuweilen eine ziemlich heikle Einstellung zum Verbrechen hatte. Der lachende Mann erteilte seine Befehle an die Mannschaft durch eine schwarze Seidenwand hindurch. Nicht einmal Omba, der liebenswerte Zwerg, durfte sein Gesicht sehen.
    Ich sage nicht, dass ich es tun werde, aber ich könnte d en Leser stundenlang – unter Zwang, falls nötig – hin und her über die Pariser - c hinesische Grenze geleiten. Zufällig betrachte ich den lachenden Mann als eine Art superdistinguierten Vorfahren von mir – sagen wir, eine Art Robert E. Lee, wobei die ihm zugeschriebenen Tugenden unter Wasser oder Blut gehalten werden. Und diese Illusion ist nur bescheiden verglichen mit der, die ich 1928 hatte, als ich mich nicht nur

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